Nadine Seeger ist überzeugt: Hunde brauchen artgerechte Aufgaben. Durch genaues Beobachten findet sie heraus, worin die Stärken der Vierbeiner liegen. Zusammen mit ihrem Team betreut sie seit rund vier Jahren etwa 30 Hunde am Tag und konnte so seit 2017 schon hunderte Hunde ausbilden. Von der Tierärztekammer Schleswig-Holstein als Verhaltensberaterin zertifiziert, hat sie sich inzwischen auf das Thema „Aufgaben für Hunde“ spezialisiert und für diese auch ein Psychologisch Entwickeltes Training (PET) konzipiert.

Im Interview erklärt Nadine Seeger, welche Berufe und Aufgaben für Hunde es gibt, wie unsere Vierbeiner diese erlernen und warum die Auslastung unserer Tiere so wichtig ist.

Inhaltsverzeichnis:

Interview mit Nadine Seeger

Frau Seeger, welche Berufe für Hunde gibt es?

Da gibt es zunächst die Gruppe der etablierten Berufe für Hunde. Jeder kennt Blindenführhunde, Drogen- oder Sprengstoffsucher und Mantrailer, also Hunde, deren Aufgabe es ist, Menschen aufzuspüren und damit Leben zu retten. Hunde arbeiten aber auch im medizinischen Bereich, das ist schon weniger bekannt. Beispielsweise warnen sie Diabetikerinnen und Diabetiker vor Unter- beziehungsweise Überzuckerung oder tragen als Therapiehunde für Kranke und Alte in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zu Wohlbefinden und Genesung bei. Einige Hunde arbeiten auch nach wie vor in ihren ursprünglichen Berufen. Sie treiben Schafe, schützen Herden vor Gefahren von außen oder unterstützen Jäger bei der sogenannten Nachsuche. Aber das ist selten geworden.

Wie können Hunde einen Beruf erlernen?

Durch entsprechendes Training. Für viele Hundeberufe ist ein Maximum an Grunderziehung erforderlich, diese fällt oft leichter, wenn dem Hund das Ziel – also der Beruf – gut gefällt. Er lernt: Wenn er sich so und so benimmt, darf er etwas tun, woran er große Freude hat. Dann trifft er eher die richtige Entscheidung. Wie lange eine Ausbildung dauert, hängt von den Fähigkeiten des jeweiligen Hundes und von der Komplexität der Aufgabe ab.

Gibt es einen optimalen Zeitraum für Ausbildung der Hunde?

Das Gehirn kann bis ins hohe Alter lernen, die Ausrede „Dafür ist es jetzt zu spät“ gibt es also nicht. Wenn der Hund allerdings einen komplexen Beruf erlernen soll, wie das Auffinden von verletzen Personen, das Retten von Menschen aus dem Wasser, oder die Arbeit als Therapiehund, sollte die Ausbildung früh beginnen. Die vorhandenen Anlagen für den jeweiligen Beruf müssen gefördert und gefordert werden. Einige Ausbildungsstätten akzeptieren nur Hunde, die nicht älter als zwei bis drei Jahre sind.

Sind alle Hunde für eine Berufsausbildung geeignet?

Im Prinzip ja, aber nicht alle Hunde brauchen einen konkreten Job. Viele Hunde sind auch ohne richtigen „Beruf“ glücklich und zufrieden. Aber es gibt Hunde, die dringend Aufgaben brauchen, weil sie nicht ausgelastet und deshalb schon auffällig im Verhalten sind. Sie wollen das tun, wofür sie genetisch vorgesehen sind: arbeiten mit und für den Menschen. Dieses Bedürfnis hat es überhaupt erst möglich gemacht, dass der Wolf zum heutigen Hund wurde. Grundsätzlich fände ich es schön, wenn jeder Hund eine Aufgabe bekäme. Arbeitende Hunde sind auch im Alltag viel aufmerksamer und ansprechbarer für ihre Halter. Ich sage gern: Wir haben sehr viel mehr Hunde als offene Stellen auf dem Berufsmarkt. Wir brauchen neue Aufgaben für Hunde.

An welche Aufgaben für Hunde denken Sie dabei?

Mit ein bisschen Kreativität gibt es viele Möglichkeiten. Wie wäre es mit einem Facilitymanager, der im Kinderzimmer das Spielzeug aufräumt? Oder mit einem Postverteiler im Büro, einem Einkaufshelfer, einem Wecker, einem Träger, einem Detektiv … Wir müssen unsere Hunde gut beobachten, um zu erkennen was sie vielleicht einmal werden könnten. Ihre Fähigkeiten geben so viel mehr her als viele von uns vermuten.

Wie finden Sie heraus, welche Aufgabe zu einem Hund passt?

Ausprobieren und beobachten. Bei jedem Hund lässt sich aus dem Verhalten schließen, was er gut kann und gerne tut. Es gibt Hunde, die sehr gut darin sind, Probleme zu lösen, etwa, wenn ich meinen Autoschlüssel suche und mein Hund ihn für mich findet. Andere sind sehr empathisch und erspüren die Stimmungen ihrer Menschen. Die meisten Hunde lieben Nasenarbeit, manche tragen gerne Dinge durch die Gegend. Egal was es ist, der Hund und sein Mensch sollten Freude an der angedachten Tätigkeit haben. Nur, weil ein Hund etwas kann, heißt das noch lange nicht, dass er es auch gern tut. Nicht jeder Retriever findet seine Bestimmung in der Dummyarbeit. Darum ist es wichtig, objektiv zu bleiben, wenn wir die passenden Aufgaben für Hunde suchen.

Was sind artgerechte Aufgaben für Hunde?

Auch diese Frage kann nur der Hund beantworten, um den es geht. Sinnvoll ist alles, woran er Spaß hat, was ihn fordert und fördert. Das können tolle Wanderungen gemeinsam mit seinem Menschen sein. Wenn er dabei seinen Menschen im Zuggeschirr zieht und vielleicht noch einen Rucksack trägt, wird eine spannende Beschäftigung daraus. Für einen anderen Hund sind Suchspiele eine tolle Auslastung. Wenn dieser Hund dann nicht seinen Ball, sondern Frauchens Handy zielgerichtet sucht, haben wir einen neue Aufgabe für ihn gefunden. Jeder Versuch, seinen Hund auszulasten, ist sinnvoll. Die Frage ist, ob Auslastung allein reicht. Für viele Hunde muss es eben etwas mehr sein. Sie brauchen einen Beruf.

Artgerechte Aufgaben fuer Hunde

Warum ist Ihnen die Auslastung der Hunde so wichtig?

Wie gesagt, Hunde wollen gerne etwas für uns tun. Sie sind hochsoziale Lebewesen und sie betrachten uns als vollwertigen Sozialpartner. Sie versuchen, uns zu verstehen und alles „richtig“ zu machen. Wenn ihnen das gelingt, sind sie glücklich, ganz ohne Lob. Es ist ein selbstbelohnendes Verhalten. Wenn dann das Lob noch als Extra dazu kommt, gibt das ein Hochgefühl. Das Gegenteil passiert, wenn Hunde mit all ihrem Potenzial keine Möglichkeit haben, sich auszuleben. Die Folge sind Frust und Fehlverhalten, das dann mühselig wieder abtrainiert werden muss. Es kann zu aggressivem Verhalten kommen – besonders schwierig, weil es immer mehr Hunde auf engem Raum gibt – oder die Tiere zerren an der Leine, weil sie nicht wissen, wohin mit ihrer Energie. Gärten werden umgegraben, Möbel zerkaut. Wie viel leichter und konfliktfreier wäre das Leben mit einem glücklichen, ausgelasteten Hund, der keinen Grund für solchen Blödsinn hat? Der Weg dorthin führt über einen Hundeberuf oder artgerechte und individuell abgestimmte Aufgaben.


Wir bedanken uns bei Nadine Seeger für den interessanten Einblick in die Welt der artgerechten Aufgaben und Berufe für Hunde. Mehr über Nadine Seeger und ihre Arbeit erfahren Sie auf ihrer Homepage.

Welche Berufe für Hunde es bereits gibt, ist ein spannendes Thema. Zu den Top Hundejobs haben wir drei herausragende Beispiele vorgestellt. Unsere Vierbeiner sind in vielfältigen Arbeitsbereichen zu finden, nicht zuletzt sind sie auch in der Schule oder als Therapiehunde im Einsatz.

Foto: © Titel- und Beitragsbild: Nadine Seeger