Die Hundepsychologin, Hundetrainerin und Coach für Menschen mit Hund Nathalie Doan verrät uns im Interview, wie Haltende ihren Hund beim Entspannungstraining mit einem Tuch und einem ausgewählten Duft unterstützen können.

Inhaltsverzeichnis:

Einfach entspannt – so können Sie Ihrem Hund helfen

Manchen Hunden fällt es schwer, zur Ruhe zu kommen. Insbesondere, wenn viele Reize auf sie eingeprasselt sind, ist es eine Herausforderung für unsere Vierbeiner, zum Beispiel auf ihrer Decke einfach zur Ruhe zu kommen. Dabei ist es wichtig, dass Hunde insbesondere auch in solchen Situationen mit viel Trubel um sie herum aktiv entspannen können. Die sogenannte konditionierte Entspannung arbeitet mit Signalen. So ein Signal können bestimmte Wörter oder Berührungen sein – aber besonders gut eignen sich Düfte, denn sie erreichen ohne Umwege das emotionale Zentrum des Gehirns und sind daher sehr effektiv. Der Sinn und Zweck ist es, im Training mittels positiver Verstärkung und Nähe die hohe Erregung des Vierbeiners zu mindern, sodass er später in realen Stressmomenten schnell wieder in der Komfortzone ankommt.

Experteninterview mit Nathalie Doan, Inhaberin der Hundeschule Trust and Treat

Zur Person

Nathalie Doan ist seit ihrer Kindheit fasziniert von Tieren und kann diese Begeisterung in ihrer Arbeit mit Menschen und Hunden jeden Tag ausleben. Die ausgebildete Hundepsychologin blickt hinter die Kulissen und beschäftigt sich damit, wie sich auch unterbewusste psychische Faktoren auf das Verhältnis zwischen Haltenden und ihren Vierbeinern auswirken können. Aus ihrer Sicht trägt es zum Erfolg des Trainings bei, wenn auch die mentalen Aspekte berücksichtigt werden. Am Ende steht als Ziel das entspannte Zusammenleben von Mensch und Hund.

Im Interview erklärt uns Nathalie den Unterschied zwischen den verschiedenen Möglichkeiten, ein Tuch mit Duft zur Entspannung des Hundes einzusetzen und verrät uns auch, warum unsere Vierbeiner dabei vielleicht plötzlich an Schnitzel denken könnten.

Nathalie, worüber reden wir, wenn von „klassisch konditionierter Entspannung“ die Rede ist?

Die klassische Form des Entspannungstrainings mit Duft und Tuch ist eine Lösung „to go“, denn ich kann sie überall mit hinnehmen: in die Tierarztpraxis, ins Restaurant, in den Urlaub, ins Auto. Der Hund hat im Training gelernt, den Duft mit einem positiven Gefühl zu verknüpfen. Wenn er das Tuch trägt, entspannt er sich und kann so besser durch stressige Situationen geführt werden.

Das hört sich sehr entspannt an – ist es denn auch so einfach, wie es klingt?

Die klassisch konditionierte Entspannung mithilfe des Tuchs, also wenn der Hund lernt, dieses als Entspannungssignal wahrzunehmen, erfordert solide Basisarbeit. Meine Erfahrung ist, dass es einigen Menschen schwer fällt, „am Ball zu bleiben“, denn in der Regel muss mindestens drei bis vier Wochen konsequent täglich 10 bis 20 Minuten trainiert werden. Erst dann kann in einer schwierigen Situation getestet werden, ob es überhaupt schon eine Verknüpfung gibt. Grundsätzlich funktioniert die klassische Konditionierung, also das Ergebnis „der Hund reagiert auf Entspannung“ sehr gut – aber es erfordert stetige Wiederholung. Wenn der Hund hingegen eine Situation mit einer sehr starken (negativen) Emotion erlebt, reicht häufig schon ein einziges Vorkommen, um eine Verknüpfung zu erzeugen. Das Gefühl der Entspannung ist hingegen an sich keine starke Emotion und braucht daher viele Wiederholungen, bis der Hund die Situation im Training verknüpfen kann. Es ist also sehr wichtig, intensiv zu trainieren – und auch die Körpersprache des Hundes richtig zu deuten. Denn nur, wenn der Hund im Training auch wirklich entspannt ist, entsteht die richtige Verknüpfung und der Einsatz des Tuchs ist erfolgreich.

Ist der Einsatz eines Tuchs mit Duft zur Entspannung für alle Hunde und Haltenden geeignet?

Grundsätzlich ja, aber es kommt auf ein paar Dinge an: Zunächst muss ich als Mensch viel Zeit „reinbuttern“, um dieses Tool in einer herausfordernden Situation wirklich nutzen zu können. Für Hunde, die sich nicht so gerne anfassen lassen, kann es schwierig sein, denn es ist schon hilfreich, wenn man das Entspannungsgefühl durch Massagen und gezieltes Ausstreichen unterstützen kann. Wenn der Hund aber überhaupt keine Lust auf Körperkontakt hat, ist man darauf angewiesen, das Signal dann aufzubauen, sobald er von sich aus entspannt ist und sich zum Beispiel hinlegt. Aber dann kann es natürlich auch sein, dass die Entspannung in dem Moment nicht ganz so tief ist, wie wenn ich sie durch meine Anwesenheit und durch meinen Körperkontakt verstärke.

Ein anderes Problem kann das Tuch an sich sein: Wenn die Hunde zum Beispiel nicht gerne etwas um den Hals haben oder jüngere Hunde merken „Oh, da baumelt ja was!“ und anfangen, damit herumzukaspern oder darauf herumzukauen, muss man eventuell auf andere Möglichkeiten zurückgreifen, um ein vergleichbar wirksames Signal aufzubauen. Dies könnte zum Beispiel ein optisches Signal in Form einer Decke sein, auf die sich der Hund legen kann. Im Vergleich zum überall einsetzbaren Tuch sind wir mit einer Decke etwas ortsgebundener, es sei denn, wir schleppen den Gegenstand an potentiell herausfordernde Orte wie zum Beispiel ins Restaurant oder in eine Tierarztpraxis mit.

Welche Düfte sind geeignet und was muss ich bei der Auswahl beachten?

Man muss natürlich darauf achten, dass der Hund den Duft akzeptiert und idealerweise auch angenehm findet. Was nämlich nicht funktioniert ist, dass ich entscheide: „Du hast jetzt Lavendel zu mögen.“ Der Hund findet den Geruch vielleicht gar nicht gut und ist mit dem Tuch gezwungen, diesen Duft die ganze Zeit direkt um und an sich zu haben. Wenn er diesem für ihn unangenehmen Geruch nicht entgehen kann, haben wir das Gegenteil von Entspannung erreicht. Idealerweise darf der Hund mitentscheiden, indem man ihm einfach verschiedene Gerüche anbietet und dann schaut, ob es eine Präferenz gibt.

Wenn wir mit hochkonzentrierten ätherischen Ölen arbeiten, heißt es immer darauf zu achten, dass es verdünnt wird. Ätherisches Öl pur ist für die empfindliche Hundenase viel zu stark, das wäre wirklich ein olfaktorischer Faustschlag für den Hund. Wir kennen das auch: Wenn wir starkes Pfefferminzöl riechen, dann sticht uns das in der Nase. Und wenn man sich dann vorstellt, wie unverdünntes ätherisches Öl in der Wundernase des Hundes ankommt, dann ist klar, warum der Duft richtig gut verdünnt werden muss.

Ein weiteres Kriterium für die Auswahl ist, dass der Hund diesen Geruch noch nicht mit irgendwas anderem verknüpft – es muss ein für ihn neutraler Duft sein. Klassiker für das Training sind zum Beispiel Lavendel und Rose, aber wenn ich zu den Menschen gehöre, die sich ein Säckchen Lavendel unter das Kopfkissen legen, um besser einschlafen zu können, dann verknüpft der Hund das natürlich mit dieser Situation. Auch wenn ich im Garten viel Lavendel habe oder eine Bodylotion mit Rosenduft nutze: Dies sind Gerüche, die der Hund schon mit irgendetwas anderem verknüpft. Der gewählte Duft sollte also idealerweise für den Hund neutral besetzt sein, damit er mit einer neuen Bedeutung aufgeladen werden kann – da muss man manchmal eine Weile schauen, bis man etwas Passendes gefunden hat.

Vorsicht gilt auch bei dem Öl, welches zum Verdünnen gewählt wird: Auch wenn dieses für unsere eigenen Nasen neutral riecht – wir wissen ja, Hunde riechen viel besser. Daher sollte auch mit dem Verdünnungsöl keine emotionale Verknüpfung bestehen, denn wenn ich das ätherische Öl mit Sonnenblumen- oder Rapsöl verdünne und mein Hund dessen Geruch aber eigentlich mit Schnitzel-Braten verbindet, dann entsteht bei ihm eine ganz andere Erwartungshaltung. Besser ist es, ein für den Hund neutral riechendes Öl zu nutzen, etwa Mandelöl.

Und grundsätzlich gilt: je natürlicher, je reiner, desto besser. Inzwischen gibt es aber für das Training auch fertige Ölmischungen zu kaufen, bei denen auf die entsprechende Qualität geachtet wird.

Warum ist das regelmäßige „Aufladen“ des Entspannungsrituals so wichtig?

Zum einen funktioniert dieses Tool tatsächlich ähnlich wie ein Akku: Desto mehr ich das Tuch in aufregenden Situationen einsetze, desto schneller verfliegt die Wirkung. Und wie auch ein Akku immer leerer wird und erst wieder aufgeladen werden muss, bevor man das Gerät wieder nutzen kann, funktioniert es auch mit dem Entspannungssignal. Besonders dann, wenn auch wir als Menschen mit einer höheren Emotionalität reagieren, ist es wichtig, das Signal direkt wieder im Training mit Entspannung zu verknüpfen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der Hund anfängt, das Signal mit der entstandenen Aufregung zu verbinden. Ich empfehle hier eine 9 zu 1-Regelung: Wenn ich das Tuch einmal in einer für den Hund schwierigen Situation nutze, würde ich es danach vor der nächsten Anwendung neun Mal wieder mit Entspannung aufladen. Nach mittelmäßig spannenden Situationen reicht es vielleicht auch, wenn ich es immer mal wieder trainiere. Aber einen Hund, der richtig viel Angst vor der Tierarztpraxis hat oder für den Autofahren sehr schwierig ist, würde ich nach diesen unangenehmen Emotionen im Training sehr konsequent entspannen.

Wie können Duft und Tuch noch eingesetzt werden?

Ich benutze das Tuchtraining eher als Pausensignal zur Entspannung. Ziel dieser Methode ist, dass der Hund lernt, unabhängig von seinem Menschen zu entspannen und zur Ruhe zu kommen. Dies ist besonders für Hunde wichtig, die ihre Menschen auf Schritt und Tritt verfolgen – klassische Beispiele dafür sind Hütehunde. Auch Hunde, die Angst vor einer Trennungssituation haben, profitieren von dieser Methode. Bei einem durch den Menschen begleiteten Entspannungsritual besteht ein Risiko immer darin, dass der Hund seine Entspannung mit seinem Gegenüber verknüpft und denkt, dass er sich nicht alleine entspannen kann. In einer Situation mit Trennungsstress wäre es natürlich fatal, wenn der Hund durch das Training erst recht das Gefühl hat, seinen Menschen zu brauchen und dann ist der nicht da. Aus diesem Grund arbeite ich gerne mit dem Entspannungstuch als Pausensignal, damit der Hund lernt, unabhängig vom Menschen in die Entspannung zu finden, indem wir Streicheln und Körperkontakt aus der Gleichung nehmen. So geben wir unseren Hunden das Signal „Hey, Du schaffst das auch ohne mich!“

Dieses Vorgehen hilft vor allem Menschen, denen es manchmal selbst schwer fällt, loszulassen, und Hunden, die ihren Menschen auf Schritt und Tritt folgen. Die Ängstlichkeit und Überfürsorglichkeit der Menschen überträgt sich im direkten Kontakt nämlich auch auf den Hund, was dazu führen kann, dass sich die Anspannung hochschaukelt und der Hund noch anhänglicher wird. In diesem Fall ist es oft besser, wenn Haltende einfach nur anwesend sind, ohne mit dem Hund zu interagieren. So lernt der Hund, sich auch unabhängig von dem zu entspannen, was der Mensch gerade macht. Dieses Training kann dann kleinschrittig ausgebaut werden, sodass der Hund auch dann entspannen kann, wenn der Mensch den Raum verlässt oder er von ihm durch eine physische Barriere wie ein Trenngitter oder eine geschlossene Tür getrennt ist.

Wenn das Thema Trennungsstress aktuell im Vordergrund steht, erleichtert dieses Training dem Hund auch den Moment, in dem sein Mensch die Wohnung verlässt. Das Tuch dient als Information, dass der Hund jetzt abgemeldet ist und der Mensch gerade nicht für gemeinsame Aktivitäten zur Verfügung steht. Die Erwartungssicherheit, dass es keinerlei Aufmerksamkeit durch den Menschen geben wird, sorgt dann dafür, dass der Hund sich entspannen kann, weil er weiß, dass er eh nichts Wichtiges verpasst.

Gibt es etwas, was die Wirkung von Duft und Tuch noch verstärkt?

Was ich schon häufiger bei Kolleginnen in Aktion gesehen habe ist, das Training mit dem Entspannungsduft konsequent mit Entspannungsmusik und – sehr beeindruckend – mit einem Entspannungswort zu verbinden. Ein Entspannungswort, zum Beispiel „easy“, kann in einer angespannten Situation – etwa, wenn ein Spiel droht, zu kippen oder es viel Anspannung bei einer Hundebegegnung gibt – ganz viel bewirken, das ist wirklich bemerkenswert. Es ist nicht so, dass der Hund dann umfällt und einschläft, aber man merkt eben doch, dass das Erregungslevel deutlich sinkt und die Hunde sichtlich entspannen, ihr Muskeltonus heruntergeht und sie ansprechbarer werden. So besteht dann die Möglichkeit, eine schwierige Situation zu entschärfen oder einen Konflikt gewaltfrei zu lösen. Gerade für unterwegs ist das ein sehr schönes Tool.

Wer also sowieso Zeit in das Training mit Duft und Tuch investiert, kann überlegen, direkt auch ein verbales Signal aufzubauen und dabei zusätzlich Entspannungsmusik abzuspielen. Wenn wir Tuch, Wort und Musik konditionieren, senden wir an alle Sinneskanäle „Entspannung“, können mehrere Bausteine gleichzeitig trainieren und so eine Wohlfühlbasis aufschichten, die dem Hund den Umgang mit einer schwierigen Situation erleichtern kann. Klar gibt es Grenzen und aus einem Hund, der sehr aufgewühlt ist, weil er große Angst hat und richtig Panik schiebt, wird durch ein Entspannungssignal keine Schlaftablette – aber man hat ein wertvolles Tool an der Hand und kann es wunderbar unterstützend einsetzen.


Weitere spannende Informationen über Nathalie und ihre Arbeit finden Sie auf ihrer Website.

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