Problem mit dem allein sein

Angst
Shappi schrieb am 17.12.2017
Hallo. Wir haben das Problem, dass wir unseren Hund nicht allein zu Hause lassen können. Selbst wenn wir ihn nur eine halbe Stunde allein lassen, fiept und jault er. Und uriniert in der ganzen Wohnung überall hin. Meine Freundin kann deswegen derzeit nicht arbeiten, da wir ihn nicht allein lassen können. Wir sind seit einigen Monaten mit ihm in einer Hundeschule um das Problem zu lösen, aber bisher ohne Erfolg. Wir haben mit verschiedenen Anbindeübungen angefangen, dann mit einem Halsband, das auf Knopfdruck einen wasserstoß ausstößt. Jetzt versuchen wir es mit einem Spielzeug, das mit fressen gefüllt ist, womit er sich beschäftigen soll, wenn er allein ist. Als nächstes möchte der trainer auf homöopathische mittel zurück greifen. Irgendwas beruhigendes mit bachblüten. Bzw dann auch mit globoli. Davon sind wir nicht gerade begeistert. Hätten sie eventuell noch einen Rat, was wir probieren können?

Lg Stefan Schafferus
1 Antwort
Marina Krieg | Hundetrainer/in
schrieb am 26.12.2017
Hallo,

als erstes rate ich Ihnen dringend, die Hundeschule zu wechseln, wenn der Trainer Ihnen ein Sprühhalsband empfohlen hat!
Der Sprühstoß wird evtl. (!) dafür sorgen, dass der Hund nicht mehr jault oder bellt, sorgt aber nicht dafür, dass der Hund keine Angst mehr hat- im Gegenteil, die Angst kann dadurch nur noch größer werden und der Hund lässt seinen Stress anderweitig ab (über Unsauberkeit in der Wohnung, Benagen der Einrichtung bis hin zu Selbstverletzung).
Also bitte entsorgen Sie Ihrem Hund zuliebe das Sprühhalsband.

Zum Training:
Zunächst entfernt man sich nur kurz (ein paar Sekunden) aus dem Zimmer und kommt kommentarlos wieder zurück. Wenn der Hund dabei entspannt liegen geblieben ist, kann die Zeit schrittweise verlängert bzw. auch mal die Tür kurz geschlossen werden.
Ist sogar dieser Schritt zu groß, stehen Sie nur kurz vom Sofa/Stuhl auf und setzen sich wieder hin. Interessiert Ihre Hunde dies nach ein paar Wiederholungen nicht mehr, stehen Sie auf und gehen einen Schritt zur Seite usw.

Sollte der Hund dennoch einmal winseln etc., wartet man kurz, bis er ruhig ist und kommt erst dann wieder rein. Dieser Schritt war für den Hund doch wieder etwas zu groß und beim nächsten Mal geht man wieder einen Schritt zurück.
Keine Verabschiedungs- und Begrüßungsrituale durchführen, denn:
Beim Verabschieden kann sich die Stimmung des Menschen auf den Hund übertragen.
Bei einer überschwänglichen Begrüßung oder sogar Belohnung würde der Hund nur noch sehnsüchtiger auf die Rückkehr des Menschen warten und nicht entspannt schlafen, das Gehen und Kommen soll für den Hund ganz normal werden.
Ankündiger für den Aufbruch müssen abgebaut werden. Das heißt, es soll unberechenbar für den Hund werden, wann man wirklich das Haus verlässt. Also zieht man sich die Schuhe und die Jacke an, zieht sie wieder aus und setzt sich zurück aufs Sofa. Ist der Hund dabei entspannt, nimmt man beim nächsten Mal noch den Schlüssel dazu in die Hand. Dies macht man mehrfach am Tag und geht dabei sehr kleinschrittig vor- immer nur so weit wie der Hund noch entspannt bleiben kann.
Beim nächsten Schritt kommt dann das Öffnen der Wohnungs-/Haustür dazu, diese wird gleich wieder geschlossen und man geht zurück.
Diese Trainingseinheiten sollten Sie mehrmals am Tag wiederholen und immer erst den nächsten Schritt angehen, wenn der Hund keinen Stress mehr hat.
Der Aufbau eines sogenannten Sicherheitssignals, wie z.B. einer Hundebox als Rückzugsort, ist sinnvoll. Eine Box (sofern sie positiv verknüpft und entsprechend trainiert wurde) ist für den Hund ein überschaubarer und geschützter Ort.
Während einer oben genannten Trainingssituation ist es auch möglich, dem Hund ein bestimmtes Signal (am besten ein optisches wie z.B. ein auf dem Boden ausgelegtes Handtuch oder eine Vase) zu geben, das für die Zukunft bedeutet: Wenn mein Mensch jetzt weg geht, kommt er wieder, bevor ich Stress habe.

Geruchströster wie z.B. ein vom Menschen getragenes Shirt oder ein Pheromonhalsband oder -spray (D.A.P.) können zur Unterstützung mit im Training benutzt werden und mit der Entspannung des Hundes verknüpft werden.
Auch ein gefüllter Kong® kann ein weiteres Hilfsmittel sein, da das Lutschen beruhigend wirkt. Doch auch dies sollte vor dem Training erst in der Anwesenheit des Menschen getestet werden.
Um dem Hund die eigene Abwesenheit noch etwas "schmackhafter" zu machen, kann man ihm den Kong kurz vorm Verlassen der Wohnung überlassen und bei der Rückkehr gleich wieder wegnehmen. Dies funktioniert jedoch nur, wenn der Hund beim Verlassen der Wohnung bereits weitestgehend stressfrei ist, sonst ist die Angst zu groß, um fressen zu können.

Wie lang ein solches Training dauert, ist nicht absehbar. Faktoren dafür sind die Zeit und Konsequenz der Halter für das Training, die Lernerfahrungen und der Grad der Angst des Hundes.
Ein Training bei Trennungsanst ist eine langfristige Herausforderung, kurzfristig hilft da nur eine Betreuung.

Im Zweifel lassen Sie sich bei diesem Training von einem Experten vor Ort unterstützen. Unter https://trainieren-statt-dominieren.de/trainer-umkreissuche finden Sie qualifizierte Hundetrainer und/oder Verhaltensberater in Ihrer Nähe, die mit Ihnen ein gezieltes Training durchführen können.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.

Viele Grüße
Marina von den Ostseepfoten
www.ostseepfoten.com
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