Aggression gegen männliche Familienmitglieder

Aggressivität ❯ Gegenüber Menschen
Jessica P. schrieb am 05.05.2020
Hallo! Ich versuche mich möglichst kurz zu halten, was bei Luckys Vorgeschichte und der Komplexität gar nicht so leicht ist. Bei Interesse kann ich aber sehr gern weiter ins Detail gehen.

Zuvor muss ich sagen, dass ich bereits bei 3 Hundetrainern war und dort sehr unterschiedliche "Diagnosen" und Tipps bekommen habe. Nichts davon schlug an und fast alle Hundeschulen arbeiteten mit Bestrafung und/oder Leinenruck. Keine fragte genauer nach oder ließ sich wenigstens ein Video zeigen von den Momenten der Aggression. Deshalb probiere ich es nun hier nochmal in der Hoffnung, dass es neugierigere und individuellere Trainer gibt, welche nicht nur nach Schema F fahren.

Zu Lucky: Lucky ist aus Rumänien, 3 Jahre, 40 cm groß, ein Mischling und kam als Junghund mit 4 Monaten nach Deutschland zu seiner Familie. Es lief soweit angeblich alles problemlos. Nach 8 Monaten kam ein weiterer Rüde im gleichen Alter hinzu, beide unkastriert und 1 Jahr alt. Kurze Zeit ein Herz und eine Seele und nach ca. 2 Monaten attackierte Lucky den anderen "ohne Grund" und unablässig. Zudem fing er an sich seine Beine aufzubeißen, die 3 Männer der Familie zu attackieren bzw. zu stellen und letztlich knurrte er auch das Frauchen an, sobald dieses versuchte ihm das Geschirr anzuziehen. Da er Luftballons fürchtete, band sie einen solchen ans Geschirr, so dass Lucky beim Anziehen mit der Angst beschäftigt war und sie nicht mehr anknurrte. Man war dort also ziemlich verzweifelt und machte sicherlich vieles aus Überforderung falsch.

Irgendwann musste er weg, kam zu einer Pflegestelle. Anfangs lief alles gut, irgendwann attackierte er den Mann, immer wenn er kurz den Raum verließ und wieder rein kam. Eine weitere Pflegestelle kam, hier das gleiche, nur schlimmer. 2 Pensionen folgten.

Nun ist er bei mir und wird nicht mehr aufgegeben. Und wenn er bereit ist, dann darf er seine Familie fürs Leben finden. Bei uns lief es wie in den Pflegestellen zuvor auch die ersten 3 Tage absolut problemlos. Lucky war immer lieb, ließ meinen Mann alles mit sich machen und war ein normaler Hund. Sehr aktiv, unterfordert, verspielt und unerzogen. Nach 3 Tagen fing der erste Knurrer an, wenn mein Mann zur Tür ging. Immer abends, wenn Lucky müde wurde. Inzwischen (Lucky ist nun 3,5 Wochen bei uns) wird mein Mann fast immer gestellt, wenn er kurz aus dem Raum oder Haus raus war und nach einiger Zeit wieder reinkommt. Sobald diese Situation erst durch ist, darf mein Mann sich dann wieder völlig frei bewegen, Lucky bettelt ihn nach Leckerchen an, lässt sich streicheln und ist einfach nett zu ihm. Auch wenn er wesentlich mehr an mir hängt. Draußen ist Lucky ebenfalls ganz normal zu meinem Mann.

Für mich ist die große Frage, ob dies Unsicherheit ist oder ob er ihn kontrollieren und eingrenzen will. Von Unsicherheit ausgehend bekommt Lucky all sein Futter von meinem Mann (durch Spiele erarbeitet), so dass er ihn schätzen lernt und lernt sich an ihm zu orientieren. Kommt mein Mann rein, wird Lucky in die Box geschickt, seinen Rückzugsort. Er hat einen Maulkorb an und eine Hausleine an. Geht er nicht in die Box, führt mein Mann ihn kommentarlos zur Box. Bisher tritt das Problem aber trotz der Maßnahmen weiterhin auf. Aber nur, wenn ich im Haus bin. Es hat also auch mit mir zu tun. Mir gegenüber war Lucky niemals aggressiv, ich kann wirklich alles mit ihm machen.

Ein letztes Detail: Lucky hat eine Schilddrüsenunterfunktion, welche aber seit kurz vor Abgabe bei der ersten Familie medikamentös eingestellt ist.

Am schwierigsten zu beurteilen finde ich, ob Lucky dies aus Unsicherheit macht, wobei ich dann nicht verstehe, weshalb nur beim Reinkommen und nicht, wenn mein Mann länger da ist und auf Lucky zugeht. Vielleicht habt ihr ja Tipps und Anregungen. Ich würde mich sehr freuen!

LG, Jessica
2 Antworten

Guten Tag,
in all meinen Jahren als Trainerin für Menschen mit Hund ( nicht Hundetrainerin) waren immer die Hunde aus Rumänien die schwierigsten Kandidaten. Sie bekommen Angst vor Männern mit der Muttermilch verabreicht. Die Hündinnen zittern, wenn die "Betreuer" kommen. Auslösende Momente für die Traumata gibt es unzählige. Man kann sich nur langsam nähern. Dafür würde sprechen, dass es immer beim Reinkommen ist, hier liegt die Angst des Hundes, das ihm wieder ein Mann etwas tut. Hier sollten Sie Ihrem Hund nicht mehr die Entscheidung überlassen. Sie sind seine Vertrauensperson und haben ihn sooft es geht an der Leine, Sie führen, entscheiden und BESCHÜTZEN. Er hat vor Ihren Füßen nichts verloren. Wie ein guter Chef seine Angstellten führt, anweist, leitet und vor allem beschützt.Wenn Lucky vor Ihnen ist, wird er weiterhin Ihren Mann attackieren, weil er hier schlechte Erfahrungen gemacht hat. Sie haben ihn bei sich. Ihr Mann kommt rein, ignoriert den Hund: nicht Anfassen, ansprechen, ANSCHAUEN!!!
Lucky muss seöbst kommen, dann reagiert Ihr Mann auch noch nicht, sondern sehr langsam muss diese Annäherung passieren. Sie führen ihn in die Box, Ihr Mann macht nichts. Wenn er rausgeht oder reinkommt ist Lucky bei Ihnen HINTER Ihnen.
Er wird dann viele gute Erlebnisse haben und die alten Seelenverletzungen werden gelöscht. Denken Sie daran, wie lange Menschen zum Psychiater gehen und lassen Sie sich Zeit.
Ich freue mich auf eine Rückmeldung, dann machen wir weiter.
Wie ist es draußen?
Gehen Sie davon aus, dass Lucky sehr unsicher ist, geben Sie ihm Sicherheit und Schutz.
Viele Artikel hierzu finden Sie auf www.hundimedia.de/Ratgeber,
ich würde mich freuen, wieder von Ihnen zu hören,
viele Grüße
Inge Büttner-Vogt
Wenn das klappt, kann er ihm ohne ihn anzusehen, Futter geben. Lucky muss merken, der tut mir nichts.

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Jessica P. | Fragesteller/in
schrieb am 10.05.2020
Hallo und ganz lieben Dank für die Tipps! Wir werden auf jeden Fall versuchen diese umzusetzen und ihm alle Zeit geben, die er braucht. Sobald es Neues zu berichten gibt, werde ich mich wieder melden und ein Update geben.

Draußen und außerhalb der Situation des Reinkommens ist Lucky entspannt im Umgang mit meinem Mann, lässt sich gern streicheln und bettelt nach Leckerchen.

Ganz liebe Grüße
Jessica
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