Was sollte ich bei der Auswahl eines Hundes aus dem Tierschutz beachten?

Allgemeines
Louiscat schrieb am 10.11.2022
Hallo. wir mussten uns im Juli nach 8,5 Jahren von unserer 14 jährigen Hündin verabschieden. Relativ schnell war klar, dass wir wieder einen Hund aus dem Tierschutz ein Zuhause geben möchten. Wir entschieden uns für eine 4-jährige Hündin, die als Welpe vermittelt war und nach Krankheit der Besitzerin zurückgegeben wurde. Nach mehrmaligem Gassigehen und einem Probetag holten wir sie zu uns. Sie zeigte von Anfang an eine starke Bindung zu mir und meinem Mann und war gut ansprechbar. Auf unseren 20 jährigen Sohn reagierte sie aber zunehmend aggressiv, knurrte und stellte ihn auch. Wir mussten sie dann anleinen, wenn er ins Zimmer kam. Für unseren Sohn war die Situation schrecklich, freute er sich doch auch auf das neue Familienmitglied. Beim Gassigehen schnappte sie auch nach einem Spaziergänger, der schon fast an uns vorbei war. Nach einem Besuch unserer Hundetrainerin wurde schnell klar, dass dieses stark territoriale Verhalten, dass wir als Anfangsunsicherheit betrachteten, sich bei diesem Hund stark verfestigt hat. Auch die Trainerin wurde angegangen obwohl sie sich defensiv verhielt. Das Verhalten (1 Stunde angeleint im Wohnzimmer bellen und toben) hat uns so schockiert, dass wir uns der Aufgabe diesem Hund gerecht zu werden nicht gewachsen fühlten. Bereits am nächsten Tag brachten wir sie schweren Herzens zurück. Sie war zu diesem Zeitpunkt erst 6 Tage bei uns. Nun zu meinem Problem: Mir hängt diese Geschichte sehr nach - mein Vertrauen wurde irgendwie erschüttert: in mich, in die Vermittler und auch in den Hund, obwohl der ja am wenigsten dafür konnte. Einerseits mache ich mir selbst Vorwürfe, da ich doch ein gutes Gefühl bei der Auswahl hatte. Andererseits hätte ich mir doch mehr "Vorsicht" der Tierherberge gewünscht. Auf einen ausführlichen Brief mit Beschreibung der Situation, damit auch sie den Hund besser einschätzen können, bekam ich nur eine lapidare Antwort. Ich habe große Bedenken, beim nächsten Hund dieses Ausmaße an Verhalten zu übersehen. Nochmal möchte ich keinen Hund zurückgeben. Das war eine Erfahrung, die ich keinesfalls wieder erleben möchte. Ich weiß, dass ein Tierschutzhund eine Aufgabe bedeutet, der ich bereit bin mich zu stellen. Aber wir möchten natürlich einen Hund der zu uns passt. Kann man ein gewisses Grad an Aggessivität ausschließen? Gehört diese ja zu Kommunikation des Hundes dazu. Wie kann ich es beim nächsten mal besser machen? LG
2 Antworten
Hallo, danke für Ihre ausführliche Nachricht. Machen Sie sich bitte keine zu großen Vorwürfe, es gibt immer wieder Situationen, wo sich ein Hund, obwohl man ein gutes Bauchgefühl hatte, anders entpuppt als erwartet. Und ja, Tiervermittler und auch Züchter sind manchmal nicht ganz ehrlich oder haben den Hund falsch eingeschätzt. Geben Sie die Hoffnung nicht auf. Wenn Sie sich einen Hund aus dem Tierheim in Ihrer Nähe aussuchen, vereinbaren Sie zunächst Spaziergänge oder "Probeschlafen". Wenn es ein Tier aus dem Ausland ist, ist es gut, wenn er zunächst in einer Pflegestelle war und nicht direkt aus dem Transporter heraus vermittelt wird. Natürlich spielt auch die Rasse, wenn man sie bei einem Mix denn herausfinden kann, eine Rolle. Wenn in dem Hund ein Herdenschutzhund steckt oder ein Hüte- oder gar Jagdhund, muss man sich auf gewisse Rasseeigenschaften einstellen, die oftmals nicht zum eigenen Leben und des Umfeldes passt. Gut, daß Sie den Hund bereits nach 6 Tagen wieder abgegeben haben und nun bereit sind für ein neues Abenteuer Hund. Hier ein paar Tipps: Rasse beachten, Angstverhalten ist nicht zu unterschätzen, sind Beißvorfälle bekannt. Warum ist er beim Tierschutz gelandet? Wo kommt er ursprünglich her? Alter des Hundes (je älter desto mehr erlebt und wenn dann problematisches Verhalten eintrifft, braucht man wesentlich mehr Zeit als bei einem jüngeren Hund). Ich denke nicht, daß Sie total blauäugig in die Wahl des Hundes gegangen sind. Es war leider nicht der Hund, der für Sie der richtige Hund ist. Aggressivität zählt erst einmal zu Normalverhalten, da es uns und auch den Hund vor Schaden schützt und mit einer Vielzahl von Kommunikationsformen beider Gegner auf eine Distanzvergrößerung abzielt. Wenn aber die Gefahr besteht, es landet danach einer beim Tierarzt oder im Krankenhaus, ist es nicht akzeptabel.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach Ihrem neuen Vierbeiner.

Kerstin Gebhardt
Hundepsychologin/-trainerin
www.kerstin-gebhardt.de
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Louiscat | Fragesteller/in
schrieb am 11.11.2022
Danke für die umfangreiche Antwort. Damit fühle ich mich in meiner Entscheidung bestärkt. Wir werden weiter dran bleiben und den nächsten potentiellen Vierbeiner, VOR dem Einzug, möglichst unserer Hundetrainerin vorstellen. Diese kann den Hund sicher besser beurteilen und kennt ja auch uns schon viele Jahre.
MfG
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