Wie trainiert man mit Tierheimhund das Alleinlassen?

Angst ❯ Vor dem Alleinsein
Fabienne T. schrieb am 10.12.2021
Wir haben vor 9 Wochen einen etwa 9 Jahre alten Pudel aus dem Tierheim zu uns geholt. Vierte Hand, er kommt aus einer Beschlagnahmung. Bingo hat zunächst nicht alleine im Wohnzimmer schlafen wollen. Er hat nach 90 Minuten bis 3 Stunden gebellt und gejault. Hartnäckigkeit und zurück auf den Platz schicken haben nach 3 Wochen relativ guten Erfolg gezeigt. In der Regel schläft er mittlerweile 8 Stunden durch. Ausnahmen bestätigen die Regel. Alleine bleiben ging zunächst keine 10 Sekunden. Er hat sofort geweint oder gebellt. Mittlerweile schafft er bei Vorbereitung (vorher Gassigehen, danach noch eine Zeit ganz ruhig auf dem Sofa) ca 12 Minuten. Ich komme bevor er jault zurück. Weiß also nicht, wie lange es dauern würde, ehe er eskaliert. Zunächst habe ich den Raum verlassen. Mittlerweile gehe ich aus der Wohnung raus.Ein Hundetrainer hat vorgeschlagen, ihm vor Verlassen der Wohnung ein Leckerli auf den Platz zu werfen und dann beim wiederkommen wieder. Dies klappt an sich. Jedoch wartet Bingo in der Regel nun vor der Tür auf sein Leckerli. Stehend. Ein einziges Mal, hat er sich bisher auf seinen Platz zurück gezogen.

Insgesamt ist Bingo oft körperlich gestresst. Er hat chronische Augenprobleme, eine Blasenoperation hinter sich und leidet an Juckreiz und Schulterproblemen. So kommt er nur schwer zur Ruhe. Langfristig muss er leider hin und wieder auch mal 4-5 Stunden alleine bleiben. Ich habe jedoch den Eindruck, dass das Training nicht den richtigen Ansatz verfolgt. Ich vermute, er sieht es als Spiel, vor der Tür zu warten, bis wieder ein Leckerli kommt. Bingo lernt an sich sehr schnell. Er konnte am Anfang nichts. Er war nur komplett an Menschen und an einen Haushalt gewohnt. Hier gibt es keine Probleme. In Kürze hat er Sitz, Platz, Pfötchen und Warten gelernt. Ich kann ihn auch auf der Straße absetzen. In die Hundeschule geht er seit einer Woche auch. Nur das alleine bleiben, scheint für ihn noch sehr schwer.

Dass er mich als Hauptbezugsperson in der Wohnung verfolgt, ist besser geworden. Er bellt auch nicht mehr wenn ich morgens aufstehe oder heim komme. Hier hat "ignorieren sie den Hund" geholfen. Nach 8 Wochen hat es dann aufgehört. Bingo fordert seit einiger Zeit gegen Abend gerne nochmal Beschäftigung ein. Er winselt. Wird dann aber ignoriert. Er geht 1,5 Stunden am Tag spazieren, plus spielen im Garten, plus Kopfarbeit. Teilweise bis zu 30 Minuten (meist Suchspiel). Ich bin unschlüssig, ob er Trennungsstress hat oder kontrollieren will. Vielleicht eine Mischung aus beiden. Gegen Kontrolle spricht, dass er nicht allein im Auto bleibt. Hier arbeiten wir gerade daran Ruhe zu geben, wenn das Fahrzeug steht. Erst dann steigen wir aus. Zu Beginn war eine rote Ampel sogar das Kommando für ihn zu bellen. Müssen wir einfach mehr Geduld haben? Oder sollte der Trainingsansatz mit dem Leckerli werfen überdacht werden? Danke und Gruß
2 Antworten
Ellen Mayer | Hundetrainer/in
schrieb am 15.12.2021
Hallo Fabienne,
so, wie ich es verstanden habe, haben Sie doch schon eine Menge geschafft.
Natürlich ist es für einen neun Jahre alten Hund sehr schwer, alles in diesen neun Jahren Gelernte abzulegen und natürlich braucht man dazu eine Menge Geduld.
Sie schreiben, es ist besser geworden, dass Bingo Sie in der Wohnung verfolgt. Da würde ich schon mal weiter dran arbeiten, indem ich IMMER die Türen hinter mir schließe. Genau so können Sie auch das alleine bleiben üben, indem Sie immer mal wieder tagsüber rausgehen, Türe schließen, SOFORT wieder reinkommen, den Raum durchqueren, wieder raus, Türe zu, wieder rein u.s.w., ca. 10 Minuten lang mehrmals am Tag. Bitte den Hund dabei nicht beachten, auch nicht anschauen, einfach rausgehen und rein kommen. Der Hund soll dieses "Spiel" mit der Zeit zum Gähnen langweilig finden, erst dann kann er entspannen. Wenn Sie merken, dass er entspannter ist, steigern Sie die Zeit draußen in ganz kleinen Schritten. Wenn er sich aufregt, wieder kürzer draußen bleiben.
Der springende Punkt ist hier, dass er sich wirklich langweilen sollte.
Wenn das funktioniert, ziehen Sie sich an, gehen raus und kommen sofort wieder rein. Auch hier steigern Sie dann die Zeit draußen.
Sehr wichtig: Keine Verabschiedung und keine Begrüßung. So lernt der Hund, dass es vollkommen normal ist, wenn Sie gehen.
Dagegen spricht natürlich, ihm vor dem Gehen und nach der Rückkehr ein Leckerchen zu werfen. Nach meiner Erfahrung bringt ALLES, was man als Vorbereitung tut, den Hund in Spannung. Er ist ja nicht blöd und weiß, wenn das und das getan wird, muss er wieder alleine bleiben. Ist er angespannt, steigert er sich meistens weiter rein.
Versuchen Sie es einfach mal ?
Gerne können Sie mich für weitere Fragen hier, über meine Website oder telefonisch erreichen.

Viel Erfolg..
Ellen Mayer
www.lesloups.de
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Fabienne T. | Fragesteller/in
schrieb am 27.12.2021
Ich habe die Antwort noch garnicht gesehen.
Entschuldig! Habe eben einen neuen Beitrag verfasst, weil wir heute den ersten richtig derben Rückschritt erlebt haben und dann habe ich die Antwort gesehen.
Das leckerchen hatte ich abgeschafft, weil es eben diese Erwartungshaltung weckte, was mich störte.
Wir waren dann bei zwanzig Minuten. Vor drei Tagen. Und heute hat Bingo nichtmal drei geschafft.
Keine warum.
Wenn ich aber lese, was ich vor 2 Wochen zusammengefasst habe und was er schon geschafft hat, beruhigt es mich etwas.

Den Ansatz 10 Minuten am Tag ständig raus ziehen und ihn zu Tode zu langweilen, finde ich nochmal gut.
Bingo ist zum Glück schnell gelangweilt.
Beim Gassi gehen ist das blöd, weil ihn Strecken langweiligen, die er kennt. (Da habe ich ein "vorwärts Kommando" einüben können), aber für das rein und rausgehen, ist es ggf wirklich nützlich.

Danke fürs mitdenken und das Feedback, dass er schon viel geschafft hat.
Das hat heute am Tag des Rückschritts echt gut getan.
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