Unser Hund hat Angst vor Fahrrädern, Trettrollern etc.

Angst ❯ Vor Gegenständen / Geräuschen
Daribal schrieb am 07.04.2015
Unser Labbi-Pointer mix ist ein Auslandshund aus dem Tierschutz. Er war ca. 3 Monate alt als wir ihn aus der Pflegestelle abgeholt haben. Mittlerweile ist er 2 Jahre alt und wir haben trotz Hundeschule und Hundepsychologe/Verhaltenstherapeut seine Angst vor Fahrrädern, Kinderwagen, Tretrollern, also alles was geräuschlos auf Rädern unterwegs ist, nicht abbauen können. Wenn wir Morgens zum Gassi raus wollen hat er nicht wirklich Lust und muss schon gezwungen werden eine Pfote vor die Türe zu setzen. Sobald wir auf dem Bürgersteig sind fängt er an zu ziehen um schnell sein Geschäft zu erledigen. Immer wieder schaut er nach hinten und seine Körperhaltung signalisiert Stress, Nervosität und Unsicherheit. Falls wir dann mal einem Radfahrer begegnen sollten, bleibt er sofort stehen und beobachtet wohin das Fahrrad fährt. Da ist es auch egal, ob das Fahrrad mehrere Meter von uns entfernt ist oder direkt an uns vorbei muss. Während der Situation und auch danach ist er dann nicht mehr Empfängnissbereit für Kommandos, denn er will dann nur noch sofort nach Hause. Er zeigt keine Aggressivität, sondern eher Meideverhalten (lieber aus dem Weg gehen bzw. flüchten). Dabei zieht er auch wie verrückt an der Leine und wenn ich es dann mal schaffe ihn zu mir ran zurufen, kommt er im Galopp an aber kurz bevor er bei mir ist, wendet er und läuft wieder in die Richtung von wo er gekommen ist. Wenn ich ihn dann erneut rufe, kommt er und steht zwar neben mir, aber total panisch und ängstlich und schaut in sämtliche Richtungen ob da nicht wieder ein Rad auftaucht. Sobald ich dann einen Schritt mache um weiterzugehen, stürmt er wieder los bis er wieder an der Leine zieht und legt auch sein ganzes Gewicht in die Leine, um schnell nach Hause zu kommen. Sein Gesicht und seine Augen sprühen regelrecht Panik und Angst aus. Wenn wir dann an der Haustüre angekommen sind, guckt solange nach hinten bis ich die Türe aufgemacht habe. Nachdem ich gerademal mit einem Fuß durch die Türe bin, läuft er schon direkt in den Hausflur rein und bleibt an der 1. Stufe stehen und wartet bis ich komplett durch die Türe bin. Sobald die Haustüre hinter uns zufällt, entspannt er sich und ist wieder ruhiger und glücklich. Aufgrund dieser Problematik können wir Ihn auch nie ohne Leine laufen lassen, weil er sonst weg wäre (was mal passiert ist). Wir haben eine 15m Schleppleine, damit er wenigstens etwas Freiheit genießen kann. Laut Info des Tierschutzes ist wohl auch die Schwester von Ihm eine Angsthündin :-( Es tut uns in der Seele weh, das er so panisch ängslich durchs Leben läuft. Wie können wir unserem Hund diesen Stress nehmen damit er endlich ein entspannter und glücklicher Hund wird, der Freude am Leben hat?
4 Antworten
Hallo,

wie ich aus Ihrer Nachricht herauslese, ist das Angstproblem Ihres Hundes sehr massiv, so dass es sein und Ihr Leben deutlich beeinflusst. Was mir bei Ihrer Schilderung sehr zu denken gibt, ist, dass jeder Spaziergang für Sie und Ihren Hund sehr stressig sein muss.

Ich halte es für sehr sinnvoll, und das ist sicherlich auch Ihr Ziel, das Leben für Ihren Hund nach und nach von Stressoren zu befreien. Dies ist - insbesondere, da durch die Hilfe eines Hundepsychologen dieses Ziel nicht erreicht werden konnte - eventuell vorerst nur mit intensiveren Optionen möglich. Bitte denken Sie einmal darüber nach, ob neben einem verhaltenstherapeutischen Training auch der Einsatz von angstlösenden Medikamenten für Sie in Frage käme, und melden Sie sich bitte wieder bei mir.

Viele Grüße,
Stefanie Ott
www.mensch-und-tier.net
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Daribal | Fragesteller/in
schrieb am 08.04.2015
Hallo Frau Ott,

danke für die schnelle Antwort. Der Verhaltenstherapeut hat damals zu uns gesagt, das es sich um ein Rangordnungsproblem handel, was aber definitiv nicht der Fall ist.
Wir haben es auch mit homöopatischen Mitteln wie Bachblüten über längere Zeit versucht nur mit mäßigen bis keinen Erfolg. Da wir unseren Hund nicht "zudröhnen" wollen, sondern wollen, dass er seinen Alltag klar wahrnimmt, hatten wir uns für Bachblüten entschieden gehabt. Was für Medikamente gibt es denn außer Bachblüten, die helfen können, ohne das Tier zu schädigen oder gesundheitlich gar zu belasten?

Worüber ich mir gedanken gemacht habe ist, ob eine Desensibilisierung nicht auf einer anderen Weise möglich ist. Leider reicht es schon aus, das irgendwo ein Fahrrad steht (ohne Fahrer), dass er in Panik gerät. Wie sinnvoll wäre es denn, wenn wir z.B. ein Fahrrad in die Wohnung oder in den Garten stellen, so dass er mit seiner Angst konfrontiert wird. Natürlich in der Hoffnung, das die Angst vor dem "gefährlichen" Gegenstand langsam der Gewöhnung an den Gegenstand weicht. Nur habe ich die Sorge, dass er dann auch in der Wohnung oder Garten (wo er sich nunmal sicher fühlt) beginnt, Angst zu haben und die vorhandene Angst in die Wohnung/Garten zu erweitern bzw zu übertragen.

MfG
Deniz Aribal
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Hallo Deniz,

für mich hört sich das Problem Ihres Hundes tatsächlich erst einmal nach einem reinen angstbedingten Problem an und nicht nach einem Rangordnungsproblem. Übrigens: ein Baustein bei einem klassischen Rangordnungsproblem ist das Einführen von klaren Regeln in Bezug auf Liegeplätze, Futter, Kauartikeln, Spiel und Spielzeug, Aufmerksamkeit und Sozialkontakt. Mit solchen klaren Regeln für den Alltag ist oftmals auch ängstlichen Hunden etwas geholfen - auf Grund der Struktur und Konsequenz werden diese Hund so oftmals ein wenig entspannter. Vielleicht hat der Verhaltenstherapeut damals in diese Richtung gedacht? Allerdings wären für Sie und Ihren Hund dann noch weitere Bausteine notwendig gewesen, denn alleine mit solchen Regeln wird das Angstproblem nicht gelöst.

Bachblüten und Homöopathika können einem ängstlichen Hund helfen, sind aber nicht immer erfolgreich. Weitere Möglichkeiten wären eine leichte Veränderung der Ernährung, der Einsatz von Pheromonen, oder eben die Verwendung von Medikamenten. Es gibt verschiedene Gruppen an Medikamenten, die man in der Tierverhaltenstherapie einsetzt - bspw. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Tricyclische Antidepressiva oder Benzodiazepine. Die Auswahl ist dabei von Hund zu Hund und von Problem zu Problem unterschiedlich. Die Dosierung wird so gehalten, dass der Hund weniger ängstlich wird, aber noch alles in seiner Umwelt mitbekommt und insbesondere noch lernen kann. Dies ist wichtig, denn neben dem Einsatz des Medikamentes ist es wichtig, über ein passendes Training die Angst zu reduzieren. Je nach Fortschritt des Trainings kann nach einiger Zeit versucht werden, die Dosis des Medikamentes langsam zu reduzieren, und in vielen - wenn auch nicht allen - Fällen kann später auf das Medikament verzichtet werden.

Ihre Idee mit der Desensibilisierung ist super - das ist einer der Bausteine, die ich oben meinte. Was hier besonders wichtig ist: die Desensibilisierung wird stets so ausgeführt, dass der Hund sich an den Problemreiz gewöhnen kann, d.h. er muss beim Auftreten des Reizes immer in einem Bereich sein, in dem er entspannt ist. Nach und nach intensiviert man den Problemreiz, wobei der Hund weiterhin in einem entspannten Zustand sein muss. Sinnvoll wäre daher für Sie vielleicht tatsächlich die Kombination aus diesem Trainingsschritt unter anfänglichem Einsatz einer passenden Medikation.

Viele Grüße,
Stefanie Ott
www.mensch-und-tier.net
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Hallo Deniz,

auf meiner Homepage finden Sie unter http://mensch-und-tier.net/handouts/canitrain/ ein kurzes Handout mit den Grundlagen zu Desensibilisierung und Gegenkonditionierung, das Sie kostenlos downloaden können.

Viele Grüße,
Stefanie Ott
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