Angstaggression oder Beschützerinstikt?

Aggressivität ❯ Gegenüber Menschen
Sylvia D. schrieb am 17.01.2015
Hallo,

wir haben 4 Hunde (+ 3 Katzen), die alle als erwachsene Tiere aus dem Tierschutz zu uns kamen.
Luke , unser "Problem" kam zuletzt, als völlig traumatisierter Hund, vor 3,5 Jahren zu uns, der nicht gewagt hat zu fressen oder zu trinken, vor Angst schrie, wenn eine Katze an ihm vorbei ging und vor ganz vielen Dingen Angst hatte. Sine Vorgeschichte ist unbekannt, da er ein Fundhund in Spanien war.
Die ersten Monate war er nur im Garten, weil es unmöglich war mit einer Leine zu arbeiten, er ist total panisch geworden beim Versuch diese anzulegen. Die ersten Spaziergänge mit ihm waren kurz und ich war immer alleine mit ihm unterwegs, dabei hat er entgegen kommende Hunde komplett ignoriert und hielt sich nur an mich. Irgendwann habe ich angefangen auch die anderen mitzunehmen, wobei mein kleiner Dackelmischling auch ein Schisser ist und andere verbellt, danach habe ich die >Hunde wieder getrennt und bin immer 2/2 gegangen. Ich konnte ihn immer ohne Leine laufen lassen, bis zu dem Tag, als er in ca. 100m entfernung einen Hund entdeckte, auf ihn zustürzte und ihn verbellte, ganz nah am Gesicht und sich nicht zurückrufen ließ! Die Besitzerin hat ihn dann vertreiben können, danach kam er wieder.
Seither benimmt er sich so bei jedem Hund, dem wir begegnen, natürlich wird er angeleint, da sich dieses Verhalten nicht jeder Hund gefallen läßt und ich keine Beißerei möchte. Sobald die Leine angelegt wird, wird er total aufgeregt und schaut sich überall um, wo jetzt der "Feind" kommt, und dann geht der Tanz los, bei dem ich Mühe habe, diesen 14kg Hund wieder unter Kontrolle zu bringen, er dreht total durch und es dauert lange, bis er sich wieder beruhigt hat, schaut sich immer wieder um. Dabei spielt es keine Rolle wie groß, oder welches Geschlecht der andere hat. Leider treffen wir nicht oft andere Hunde, was das Ganze erschwert. Wenn die anderen brav und gelassen sind, gehe ich einfach mal mit, in gebührendem Abstand, bis er runter gefahren ist, wenn er dann merkt, es passiert nichts, kann ich ihn auch ableinen und die Situation ist entspannt. Auffallend ist dieses Verbellen der "Feinde", immer ganz nah am Kopf , aber er beißt (noch !) nicht. Eine Bekannte, die 2 große Hunde hat, treffe ich nur selten und wenn er diese sieht, macht er das auch, allerdings nur bei der Hündin, die eine hohe Energie ausstrahlt, die wird dann auch gejagt, hierbei läßt er sich abrufen.Andere Bekannte werden normal begrüßt.
Zuhause ist er ein ruhiger, noch etwas ängstlicher Hund, der eine sehr enge Bindung zu mir hat. er orientiert sich hier sehr am kastrierten Chef, den er draußen immer im Auge hat. Ich habe schon einiges versucht, z.B. den Leckerchen -Trick, wenn die Situation kommt, aber das funktioniert nur bedingt, ist der andere zu nahe, wird es schwierig.
Gestern war ein Chihuahua-Welpe zu Besuch, das war völlig unproblematisch, er hat ihn vorsichtig beschnüffelt und danach immer press an meiner Seite, da die kleine Maus irgendwann auf ihn drauf sprang und sitzen blieb!
Er zeigte keinerlei aggressives , sondern eher vermeidendes und unsicheres Verhalten in dieser Situation.

Mittlerweile bin ich etwas verzweifelt, da ich nicht weiß, wie ich das in den Griff bekommen soll.

M.f.G.

Sylvia
7 Antworten
Uwe P.
schrieb am 17.01.2015
Hallo Sylvia,
vielen Dank für die tolle Schilderung.
Um es vorweg zu nehmen, so zeigt Ihr Luke kein aggressives Verhalten, sondern nur ein Drohverhalten.
Gehen Sie einzeln mit Luke in diese Situationen hinein und halten vorerst einen gewissen Abstand ein, den Luke noch ertragen kann. Reagiert er niht, so bekommt er eine Superbestätigung. Reagiert er mit Bellen, bekommt er keine Ansprache und Sie versuchen weiter zu gehen. Hierfür könnten Sie Luke auch über eine Schleppleine "kontrolliern". Also eine weitere Sicherheit, damit Sie nicht wieder in die Situation kommen, dass er verjagt wird. Luke bellt, Sie fordern Blickkontakt ein und lassen Luke zu sich schauen,
Diese Übeungen machen Sie ca. 50 bis 100 Mal, dann beginnt Luke zu verstehen.
Parrallel dazu leinen sie Luke an, wenn nichts zu sehen ist, nach 10 Sekunden leinen Sie wieder ab. Auch können Sie nach dem Anleinen ein Suchspiel mit Luke durchführen, so dass Anleinen für ihn etwas tolles wird. Das Ganze Wiederholen Sie auf dem Spaziergang so oft es geht. Luke soll lernen, anleinen heißt nicht Feind in Sicht.
Das Ziel lautet, Luke sieht einen anderen Hund und kommt zu Ihnen, fordert Blickkontakt ein und wird für dieses Verhalten belohnt. Aber bitte nicht am anderen Hund vorbei füttern, das geht in die Hose.
Nutzen Sie Ihre tolle Bindung zu Luke, jetzt braucht er Vertrauen auch in schweren Situationen. Üben Sie möglichst am Anfang mit anderen Hundehaltern, die Sie kennn und nicht den "Ernstfall" zuerst. Das gibt auch Ihnen weitere Sicherheit.

Mit freundlichen Grüßen
Uwe Planer
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Sylvia D. | Fragesteller/in
schrieb am 18.01.2015
Hallo,
vielen Dank für Ihre Antwort!
Vor allem das Anleinen ohne "Gefahr" werde ich intensivieren und das gar nichts mehr sagen, wenn es passiert!!
Da er ein kluger Hund ist, reagiert er sofort , auch beim Anleinen der anderen ,geht in Hab-acht-Stellung und fängt an zu bellen und sich umzusehen, wo das Übel lauert, auch wenn da nichts ist.
Da ich auch noch arbeite, habe ich recht unterschiedliche Zeiten zum Spaziergang, und treffe daher oft niemanden.
Anfangs habe ich ihn mit unserem "Chef" zusammen ausgeführt, da dieser sehr verträglich ist und ich mir davon viel versprochen habe, er wurde auch jedes Mal von ihm gemaßregelt, wenn er dieses Verhalten zeigte, aber leider ohne Konsequenz..
Er reagiert auf die geringste Veränderung der Stimme, der Körperhaltung oder des Blicks, so daß er schnell auch Handzeichen lernt. Keiner der anderen ist so sensibel.
Also heißt es weiterhin die Geduld nicht verlieren und üben, üben, üben!! Und schweigen...

M.f.G.


Sylvia
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Uwe P.
schrieb am 20.01.2015
Hallo Sylvia,
genau richtig. Erst mal nichts sagen. Wenn Luke dann einmal nicht reagiert, dann sofort in dieser Situation bestätigen. Dazu haben Sie genau 0,5 bis 1 Sekunde Zeit.
Das geht in folgender Reihenfolge: keine Reaktion von Luke - Markersignal z. B: fein - Leckerli der besten Sorte.
Reagiert Luke, dann kurz nicht beachten und den Spaziergang fortsetzen.
Falls noch Fragen offen sind, gern auch telefonisch.

Beste Grüße
Uwe Planer
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Sylvia D. | Fragesteller/in
schrieb am 24.01.2015
Hallo,

daß er nicht reagiert, tja, davon sehe ich ihn noch meilenweit entfernt.
Ich muß ihn einige Zeit hinter mir her ziehen, bis er sich überhaupt wieder auf mich einläßt.
Je näher der Abstand, desto heftiger natürlich die Reaktion, aber das läßt sich halt nicht immer vermeiden.

VG

Sylvia
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Uwe P.
schrieb am 25.01.2015
Hallo Sylvia,
das kann ich verstehen, nur bitte nicht hinter Ihnen her ziehern, das verschlimmert die gesamte Situation zusätzlich.
In noch sicherer Distanz sthen bleiben, Schau her einfordern und vor allem ruhig bleiben, so unangenehm die ganze Situation auch ist.
Gern können Sie mich einmal anrufen, da können wir die Situation gern besprechen.
MfG
Uwe Planer
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Sylvia D. | Fragesteller/in
schrieb am 25.01.2015
Oh, da habe ich wohl die ganze Zeit einen Fehler gemacht!
Aber das mit der sicheren Distanz ist so eine Sache, vor allem, wenn jemand auf der gegenüber liegenden Straßenseite kommt, oder aus einer Seitenstraße direkt mit uns zusammen trifft!
Ruhig bleibe ich mittlerweile, aber die Aufmerksamkeit einfordern ist fast unmöglich, da er immer versucht, irgendwie hinter dem anderen Hund herzumotzen, jede Lücke wird genutzt. .In "normalen" Situationen reagiert er sofort auf "Augen" und schaut mich an, aber eben nur dann und dann erst wieder, wenn der Feind weit, weit genug weg ist.

M.f.G.

Sylvia
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Uwe P.
schrieb am 29.01.2015
genau richtig, Sie brauchen erst große Distanzen und dann die kleineren. Sie brauchen 1500 bis 2000 Wiederholungen, dann hats der Hund gelernt.
MfG
Uwe Planer
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