Traumatisierter Hund blockiert beim Gassi gehen, was tun?

Angst ❯ Vor Gegenständen / Geräuschen
Nicki79 schrieb am 07.05.2021
Wir haben eine Hündin aus dem Tierschutzverein. Sie kommt aus Rumänien und ist mit drei Jahren nach Deutschland geholt worden. Sie muss eine Menge schlimmer Erfahrungen gemacht haben. Ihr macht so gut wie alles Angst. Geräusche, große Autos, Baustellen etc.

Das Gassigehen ist oft eine Tortur. Sie blockiert mitten auf dem Weg oder sogar auf der Straße. Dreht sich mit dem Rücken zu uns und geht einfach nicht weiter. Sie zittert, klemmt die Rute bis zum Bauch. Sie ist voller Panik. Tragen geht nicht, da sie 24 Kilo wiegt! Wenn wir sie ziehen wollen, rutscht sie auch mal mitten auf der Straße aus ihrem Geschirr. Wir haben meist keine Chance. Sie blockiert einfach völlig und will nach Hause. Wir wissen nicht mehr weiter.
3 Antworten
Hallo Nicki, danke für Ihre eMail. Oh ja, das ist schlimm, wenn der eigene Hund beim Gassigehen so viel Angst zeigt. Als erstes sollten Sie den Hund bitte so absichern, daß er auf keinen Fall aus dem Geschirr kommt. Am besten die Leine an Sicherheitsgeschirr und Halsband festmachen. Wenn sie in Panik evtl. wegläuft oder vor ein Auto. Sie schreiben nicht wo Sie wohnen, evtl. haben Sie einen Garten oder einen Balkon, wo Ihr Hund erst einmal die Alltagsgeräusche wahrnimmt aber dennoch im sicheren Zuhause ist, dann machen Sie die Möglichkeit, immer wenn er ein Geräusch hört, ihm zeitgleich etwas anzubieten, was er gut findet, z.B. eine Runde spielen, ein Leckerchen oder eine Streicheleinheit. Ihr Hund verknüpft dann das angstmachende Geräusch mit etwas GUTEM. Sie schreiben, Ihrem Hund macht so gut wie alles Angst. Da ist es schwierig, dem Hund irgend etwas "schön" zu machen, z.B. mit Futter etc., weil ja im nächsten Moment direkt wieder das nächste Geräusch kommen kann, was ihm Angst macht oder Panik auslöst. Hunde aus dem Ausland brauchen einen strukturieren Tagesablauf, d.h. es passiert immer das Gleiche und am besten sogar noch zur gleichen Zeit. Gehen Sie immer die Wege, die er schon kennt und wenn er wieder nach Hause will, drehen Sie um. In der Situation muss er nicht möglichst viel NEUES kennenlernen. Desweiteren ist es gut, eine sehr konsequente Erziehung mit dem Hund zu machen, falls das überhaupt möglich ist. Er sollte kleine Erfolgserlebnisse haben - vielleicht gibt es Orte, z.B. etwas ländlich, wo Ihr Hund nicht den ganzen Alltagsgeräuschen ausgesetzt ist, wo er zumindest teilweise etwas entspannt ist. Gibt es Artgenossen, die er schon kennengelernt hat und mit denen er sich sicherer fühlt? Angst und Panik bringen den Cortisolspiegel im Körper nach oben und wenn Ihr Hund den ganzen Tag voller Cortisol ist, kann er nichts dazu lernen. Sie können dies aber abbauen, indem Sie, wenn Ihr Hund Angst vor etwas hat, ihn nicht flüchten lassen, sondern ihn festhalten und versuchen zu entspannen, z.B. mit Massagen etc. und erst weitergehen, wenn Ihr Hund auch wirklich etwas entspannter ist. Aber auch das geht natürlich nur, wenn nicht der ganze Spaziergang voller angstauslösender Situationen ist. Oftmals ist Training auch nur mit einer begleitenden Medikamentenabgabe möglich. Wenn Sie den Eindruck haben, dies ist der Fall, sollten Sie einen Tierarzt mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie aufsuchen. Wichtig halte ich auf jeden Fall, daß sich eine/ein Verhaltensberaterin/-berater Ihren Hund anschaut, damit es nicht u.U. noch so weit kommt, daß er nicht mehr das Haus verlassen will.

Viele Grüße aus Düsseldorf

Kerstin Gebhardt
Hundepsychologin/-trainerin
www.kerstin-gebhardt.de
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Nicki79 | Fragesteller/in
schrieb am 15.05.2021
Vielen Dank für Ihre Antwort . Ja einen Garten haben wir gott sei dank seit etwa 8 Monaten an der wohnung mit dran. Haben extra eine whg MIT GARTEN gesucht wegen ihr. Sie fühlt sich dort auch einigermaßen wohl, aber man merkt dass sie ständig auf der Hut ist und noch so leise Geräusche wahrnimmt und quasi dauerhaft im Fluchtmodus ist. Wir setzen uns mit raus und haben auch Leckerlies dabei, die sie bekommt wenn sie sich entspannt. Sie hat aber immer die Treppe zurück zur Wohnung im Auge. Desweiteren haben wir in der Nähe einen schönen Wald. Da fahren wir so oft es möglich ist mit ihr hin. Dort fühlt sie sich am wohlsten. Wir versuchen es immer schon zu meiden, mit ihr direkt hier vor Ort zu laufen. Da wir sehen, dass sie sich total unwohl fühlt. Da der Garten eigentlich ein " Gemeinschaftsgarten " ist und die anderen Mieter es nicht so toll finden wenn sie im Garten ihr Geschäftchen macht, hatten wir auf Grund von Beschwerden seitens der mieter über uns schon ein Gespräch mit dem Vermieter. Dieser reagierte allerdings sehr verständnisvoll als wir ihm die Situationen mit dem Hund erklärten. Und das wir uns auch um den garten mit kümmern werden und ihn pflegen werden. Im Gegenzug darf der hund auch raus in den Garten. Wir haben nun, auch auf Grund ihrer hilfreichen Antwort beschlossen, das wir nur noch in Ausnahmesituationen hier vor ort laufen mit ihr und ihr ansonsten den garten und den wald bieten werden. Da wir sehen, das sie sonst von ihrem Stresslevel nicht runter kommt. Desweiteren bekommt sie ein pflanzliches produkt extra für Hunde zur Beruhigung.
Was können wir sonst noch tun?
Lg
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Hallo Nicki, danke für Ihre eMail. Sie können ein Entspannungssignal konditionieren. Wenn Ihr Hund entspannt zu Hause, z.B. neben Ihnen liegt, streicheln und kraulen Sie Ihren Hund und sagen dabei immer ein und dasselbe Wort - gern genommen wird easy - da es im normalen Sprachgebrauch nicht so oft vorkommt. Nach einiger Zeit - sprich Wochen - reicht es dann, wenn man das Wort allein sagt und Ihr Hund zeigt entspanntes Verhalten. Aber Vorsicht! nicht zu früh in wirklich stressigen Situationen anwenden.

Viele Grüße aus Düsseldorf

Kerstin Gebhardt
Hundepsychologin/-trainerin
www.kerstin-gebhardt.de

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