Im ersten Teil unseres Gespräches mit den Tierärztinnen Dr. Jana Dickmann und Melanie Müller geht es um das Thema „Abschied nehmen“.

Unsere Interviewserie „Tierärztinnen im Gespräch“ bietet einen Einblick, wie Jana und Melanie sowohl privat als auch beruflich mit den Themen Euthanasie und Trauer umgehen. Wir erhalten einen Eindruck vom Praxisalltag und blicken auf die Herausforderungen, denen sich tiermedizinisches Personal immer wieder aufs Neue stellt.

Vorstellung der Gesprächsrunde

Dr. Jana Dickmann hat gemeinsam mit Dr. Karim Montasser vetivolution gegründet, eine gemeinnützige Organisation, die sich für tiermedizinisches Personal einsetzt und vor allem auch deren mentale Gesundheit in den Fokus stellt. Durch die große Bandbreite ihrer Erfahrungen in Studium und Beruf, aber auch im Privaten und natürlich in ihrem Wirken bei vetivolution, hat Jana umfassende Kenntnisse über die realen Zustände in der Tiermedizin und weiß, wo Unterstützung dringend benötigt wird.

Melanie Müller ist approbierte Tierärztin mit knapp drei Jahren Praxiserfahrung und seit 2019 bei AGILA tätig. Als Expertin ist sie nicht nur Ansprechpartnerin für die tiermedizinischen Fragen, sondern hatte auch die Vision, einen Tiergesundheitsbereich aufzubauen, der Wissen schafft, Tierhaltenden ermöglicht, sich fundiert zu informieren, und Präventionsarbeit durch Aufklärung leistet. Ihr Tätigkeitsfeld ermöglicht ihr Einblicke in viele verschiedene Bereiche der Tiermedizin und ihr Wunsch ist es, durch gezielte Kommunikation dieses Wissen zum Wohl der Vier- und Zweibeiner einzusetzen.

Ann-Catrin Büttner ist Redakteurin bei AGILA und hat keinen tiermedizinischen Hintergrund. Sie hat sich vor einiger Zeit für einen Artikel mit dem Thema Trauer auseinandergesetzt und begann sich zu fragen, wie es eigentlich für tiermedizinisches Personal ist, täglich mit Krankheit und Entscheidungen über Leben und Tod umzugehen. Daraus entstand die Idee für dieses Gespräch, in welches auch ihre eigenen Erfahrungen zum Thema mit eingeflossen sind.

Abschied nehmen

Im ersten Teil unseres Gespräches haben wir uns dazu ausgetauscht, wie es ist, von einem Tier Abschied zu nehmen und wie das Erlebte den eigenen Umgang mit anderen Tierhaltenden beeinflusst. Außerdem geht es darum, wie Studierende der Tiermedizin auf das Thema Euthanasie und Trauer vorbereitet werden.

Ann-Catrin: Melanie, hast Du Dich denn privat schon einmal von einem Tier verabschieden müssen?

Melanie: Tatsächlich ja, und zwar hatte ich in meinem Studium eine Katze und die war tatsächlich auch schon zehn Jahre alt, als ich sie bekommen habe. Es war der Klassiker: Sie wurde abgegeben, weil ein Kind in die Familie kam und eine Katzenhaarallergie vermutet wurde. Ich hatte dann Lilli für fünf Jahre und irgendwann hat sie angefangen, ein bisschen abzubauen. Sie hatte eine akute Niereninsuffizienz und die Zähne haben auch immer ein bisschen Probleme gemacht, weswegen wiederum OPs nötig waren. Das ist dann ein Teufelskreis geworden. Irgendwann kam dann der Tag X und ich musste sie gehen lassen und das war schon hart.

Ann-Catrin: Was würdest Du sagen, was war für dich als Tierhaltende in der Situation besonders wichtig?

Melanie: Ich hatte jetzt natürlich ein bisschen die Sondersituation, dass ich in der Zeit schon gearbeitet habe, das heißt die Tierärztin, die Lilli letztendlich eingeschläfert hat, kannte ich gut und habe mit ihr zusammengearbeitet. Und da hatte ich auch wirklich das Gefühl, dass sie zum einen mit mir mitfühlt aber zum anderen auch traurig ist, dass Lilli geht. Das ist schon etwas, was einem positiv auffällt, wenn man sozusagen „das Leid teilt“. Im Gegenzug dazu fand ich folgende Situation zum Beispiel total schwer: Ich hatte als Kind auch schon eine Katze und mein Vater hat irgendwann entschieden, dass sie eingeschläfert werden muss. Er hat mir gar nicht Bescheid gesagt, es einfach gemacht und mir im Nachhinein gesagt. „Den gibt’s nicht mehr.“ Und so gar nicht das Gefühl zu haben, dass man mitentscheiden oder Abschied nehmen kann, das ist schon krass. Also wenn es irgendwie möglich gemacht wird, dass man da dabei sein kann, ist das schon schön.

Ann-Catrin: Kein so leichtes Thema. Aber dafür sind wir ja hier. Wie hast Du denn versucht, das, was Du als Tierhaltende selbst wichtig empfunden hast, in der Praxis als Tierärztin umzusetzen?

Melanie: Also was ich natürlich versucht habe, ist, die Tierhaltenden immer mitzunehmen und ihnen zu erklären, warum das jetzt wirklich aus meiner Sicht das Beste für das Tier ist und auch darauf zu schauen, wie es sich für die Haltenden anfühlt. Das ist teilweise echt ein schmaler Grat, denn es gibt die, denen es sehr schwerfällt, loszulassen. Das ist wiederum für mich als Tierärztin schwierig gewesen, wenn man das Gefühl hat, dem Tier geht es wirklich nicht mehr gut und es lebt jetzt quasi nur noch für die Tierhaltenden. Das ist immer sehr, sehr knifflig. Aber auf jeden Fall ist es wichtig, Mitgefühl zu zeigen, und das habe ich eigentlich auch immer gefühlt, denn ich bin ja Tierärztin geworden, weil ich Tiere mag. Und natürlich tat es mir auch immer leid und ich glaube, wenn man da authentisch ist und für Fragen zur Verfügung steht, dann hilft das auch ungemein. Jana, wie hast Du das so erlebt?

Jana: Zu großen Teilen würde ich dir zustimmen. Insbesondere das mit der Empathie, was Du gerade angesprochen hast, ist natürlich irgendwie Fluch und Segen gleichzeitig. Selbstverständlich wünscht man sich eine Tierärztin oder einen Tierarzt, der empathisch reagiert, mitfühlt und das Leid teilt, aber gleichzeitig ist eine gewisse Abgrenzung von unserer Seite ja auch nötig, um irgendwie diesen Job machen zu können. Und das Gegenteil von den Euthanasien, die vielleicht zu lange herausgezögert werden, gibt es ja durchaus auch. Dann kommen Leute mit Tieren, bei denen ich eigentlich noch Behandlungsmöglichkeiten gesehen hätte, und wo dann auch manchmal vielleicht die Kosten ein Problem werden könnten. Das heißt, es ist leider ein super multifaktorieller Entscheidungsprozess, der ganz viele Möglichkeiten für Konfliktpotenzial bietet. Natürlich ist die Idealsituation, dass Haltende und Tierärztin oder Tierarzt sich beide einig sind, dass es Zeit ist, dass es nötig ist, dass wir alles versucht haben und es für das Tier das Beste ist. Viele Euthanasien laufen sicherlich auch so, aber ich glaube jede Kollegin und jeder Kollege kennt Fälle in die eine oder andere Richtung, wo es entweder zu lange herausgezögert wurde oder vielleicht auch Euthanasien gefragt werden, denen man aus fachlicher Sicht nicht zustimmt. Wir sind da in Deutschland noch in einer ganz guten Position, denn wir dürfen mit Bezug auf das Tierschutzgesetz sagen „ich mache das nicht“. Vielleicht werden die Tierhaltenden andere Kolleginnen oder Kollegen finden, die eine Euthanasie durchführen, aber ich glaube, unsere amerikanischen Kolleginnen haben noch viel mehr ein Problem mit den sogenannten „convenience euthanasias“ die aufgrund der Kosten, des Aufwands oder aus anderen Gründen durchgeführt werden. Aber dieser moralische Stress, der durch diese Entscheidung über Leben und Tod entsteht bzw. durch dieses Konfliktpotenzial aus „Ich könnte eigentlich noch helfen, darf es aber vielleicht in diesem Fall nicht“, das empfinden wir als sehr viel schwieriger zu bewältigen, als andere Faktoren wie Zeitstress oder eine hohe Arbeitsbelastung.

Melanie: Ich hatte tatsächlich auch einen Fall, der mich echt nachhaltig geschädigt hat, weil ich im Zwiespalt war. Ich konnte eine Patientenbesitzerin überreden, ein Röntgenbild von ihrer Katze anfertigen zu lassen, deren Beine zwar gelähmt aber noch vital waren. Auf dem Bild habe ich eine Fraktur an der Wirbelsäule oder im Becken gesehen, wo genau weiß ich nicht mehr. Ich habe Katzen erlebt, die das mit guter Pflege auch ohne OP überstehen. Die Katze hat wohl noch Kot und Urin abgesetzt, es wäre also irgendwie gegangen. Und dann hat die Patientenbesitzerin ihre Mutter angerufen und einen übelsten Anschiss bekommen, was ihr denn einfiele, ein Röntgenbild anfertigen zu lassen, das sei viel zu teuer und sie soll die Katze doch bitte jetzt einfach mit nach Hause nehmen. Der Plan war also, die Katze einfach sterben zu lassen. Das heißt, ich hatte die Wahl: Ich schläfere dieses Tier jetzt ein oder es stirbt alleine zuhause. Natürlich hätte ich die Haltenden anzeigen können, aber gerade die Tochter konnte ja nun gar nichts für die Situation, sie hat am Ende das Geld dafür aus ihrem eigenen Sparkonto gezahlt.

Ann-Catrin: Das sind ja wahrscheinlich keine Einzelfälle, oder? Ich könnte mir vorstellen, dass man oft vor solchen moralischen oder ethischen Dilemmata steht und häufig wahrscheinlich auch – das ist meine Perspektive als Außenstehende – menschlich das Bedürfnis hat, anders zu helfen, als man es als Tierärztin oder Tierarzt kann. Das ist wahrscheinlich etwas, was einem dann zwei verschiedene Rollen abverlangt.

Jana: Was in der Klinik auch ab und zu noch vorkommt, ist, dass Tierhaltende nicht dabei sein können oder wollen. Entweder weil es dem Tier in der Nacht akut schlechter geht und die Haltenden nicht so schnell da sein können – das ist dann für alle schlimm, wenn die eigentlich gerne dabei gewesen wären. Aber es gibt durchaus auch Haltende, die wollen nicht dabei sein und das kann ich echt superschwer nachvollziehen. Und das sind auch die Fälle – so kenne ich es zumindest aus der Klinik – da stehen dann sechs, sieben Leute vom Personal um das Tier herum und es wird gekuschelt. Denn alle finden es schlimm, wenn jemand diesen letzten Weg mit seinem Gefährten nicht gehen möchte und einfach entscheidet, das Tier lebendig in der Klinik abzugeben und das ist der Abschied. Das ist für das tiermedizinische Personal natürlich eine ganz andere Belastung.

Melanie: Oh Gott, das hatte ich zum Glück nie.

Jana: Ich glaube, so etwas kommt auch häufiger in der Klinik als in der Praxis vor.

Ann-Catrin: Ich war bisher bei zwei Euthanasien dabei. Einmal war es das Meerschweinchen meiner Schwestern, da war ich aber eher für die Mädels da und es ging mir persönlich nicht so nah. Und das andere war eben unsere eigene Katze und ich könnte mir nicht vorstellen, bei ihrem Abschied nicht dabei gewesen zu sein. Das war ein ganz wichtiger, zwar ziemlich harter, aber wichtiger Teil dieses Katzenlebens und wir haben sie bis zum Schluss begleitet.

Wie ist das denn in der Ausbildung gewesen, wie seid ihr das erste Mal mit Euthanasie in Kontakt gekommen? Wie läuft das ab, wenn man das zum ersten Mal begleitet?

Melanie: Ich fange jetzt mal mit der Ausbildung im Studium an: Ich muss gestehen, ich kann mich ehrlicherweise nicht daran erinnern, dass wir es überhaupt im Studium hatten.

Jana: Geht mir auch so.

Melanie: Also sicherlich, wenn man Pharmakologie hat, dann werden die Medikamente behandelt, die eingesetzt werden. Aber an eine Stunde mit Bezug zur Kleintiermedizin kann ich mich nicht erinnern. Das Problem bei den Praktika in den Praxen war, dass die Tierhaltenden in dieser sensiblen Situation natürlich entlastet werden und möglichst wenige Störfaktoren haben sollten – daher war ich als Studierende selten dabei. In den Praktika an der TiHo (Anm. der Red. gemeint ist die Tierärztliche Hochschule Hannover) war es dann schon eher so, dass es dazu kam.

Nun war ich auch in meinen ersten Berufsjahren in der Onkologie, das heißt Euthanasien waren auch gar nicht so selten. Dort haben sich immer alle sehr viel Mühe gegeben und die Haltenden hatten auch Verständnis, wenn man als „Anfänger“ dabei war, weil es bei einer Uniklinik eher vermittelbar ist, warum Studierende anwesend sind. Da konnte ich tatsächlich relativ gute Erfahrungen sammeln, einfach weil die das immer sehr toll gemacht und auch vorher erklärt haben, was passieren kann. Es ist ja nicht immer so, dass das Tier einschläft und nichts mehr passiert, sondern sie machen komische Geräusche und komische Bewegungen. Es ist gut, wenn man das alles schon mal vorher weiß. Gerade als Anfängerin ist man manchmal selbst fast schockiert und denkt sofort, man habe etwas falsch gemacht. Das kann auch ein bisschen traumatisch sein, wenn man da eben nicht gut eingeführt und vorbereitet wird. Aber so war es zum Glück bei mir nicht. Man erschrickt sich natürlich trotzdem und denkt immer „Oh Gott, was denken jetzt die Haltenden?“, aber letztendlich weiß man zum Glück wenigstens selbst, dass es einigermaßen okay ist.

Ann-Catrin: Ich muss sagen, ich finde es gerade total erschreckend, dass es im Studium nicht thematisiert wird, denn ich hätte es jetzt als ein extrem wichtiges Thema empfunden. Gerade auch, um selbst vorbereitet zu sein, wie Du gerade gesagt hast. Wenn Du jetzt das Praktikum an der TiHo nicht gehabt hättest oder diese Erfahrungsbandbreite, dann wäre das ja wahrscheinlich ein Thema gewesen, was gar nicht so richtig präsent gewesen wäre im Zuge Deines Studiums und Deiner Fachpraxis.

Jana: Man muss dazu sagen: Vielleicht ist es inzwischen anders. Mein Abschluss ist sechs Jahre her und vielleicht haben sie das inzwischen ins Curriculum aufgenommen oder es ist über die Tierschutzinstitute auch ein bisschen mit abgedeckt. Aber das Studium hat ja den Anspruch, die Studierenden für alle beruflichen Möglichkeiten super breit aufzustellen, das heißt, der Anteil der klinischen Arbeit darin ist eher gering. Und da ist es schon ein wichtiger Teil, klar, in der klinischen Arbeit gehört Einschläfern essentiell dazu, aber wenn man die Gesamtbandbreite des tiermedizinischen Berufs anschaut, ist es im Ganzen ein eher kleines Thema. Und selbst wenn es eine einzige Vorlesung dazu gibt, dann ist das vielleicht im Curriculum abgedeckt, entspricht aber nicht der Wichtigkeit im Klinikerleben hinterher.

Melanie: Wenn diese Themen behandelt werden, dann eher mit Bezug auf die Vorgehensweise am Tier, aber nicht dazu, wie man zum Beispiel mit der Trauer umgeht. Ich weiß, dass es in der TiHo mittlerweile Wahlpflichtkurse zur Kommunikation gibt. Diese gibt es schon seit etwa 2016, und einen Professor, der das Ethikthema mit abwägt und sich auch sehr engagiert hat. Es sind bereits Doktorarbeiten mit Trauerbüchern usw. entstanden. Das Thema ist also gewachsen, sicherlich, deswegen würde ich Jana zustimmen, dass es vielleicht nicht mehr so ist, wie zu unserer Studienzeit. Und man kann ja nun auch nicht ausschließen, dass man an dem einen Tag nicht da war, an dem das Thema behandelt wurde.

Ann-Catrin: Ich habe auch gelesen, dass es für TFAs ganz gezielt Angebote zum Umgang mit Euthanasie und den Tierhaltenden gibt. Wäre eure Einschätzung, dass das Thema auch für Tierärztinnen und Tierärzte ein bisschen mehr Präsenz bekommt? Kennt ihr spezielle Angebote?

Jana: Also Fortbildungsangebote gibt es schon, man hat die Möglichkeit, sich eigenverantwortlich noch mehr Input zu holen und auch die atf (Anm. der Red.: Akademie für tierärztliche Fortbildung) bietet Stunden zur Unterstützung an.

Melanie: Also ich habe das schon mal gesehen, ja.

Ann-Catrin: Nun haben darüber, wie es für euch im beruflichen Kontext war, ein Tier einschläfern zu müssen, schon in verschiedenen Zusammenhängen gesprochen. Möchtet ihr dazu noch etwas ergänzen?

Melanie: Wenn ich eine Euthanasie nach Abwägung aller Faktoren, also „wenn alles passt“, für sinnvoll erachte, dann ist es für mich okay, dann habe ich damit – bis auf die Trauer um das Tier – ein einigermaßen gutes Gefühl. Aber wenn es zum Beispiel um finanzielle Themen und nicht nur um das Medizinische geht, ist es schwierig. Als kleine Anfängerin fehlte mir manchmal auch wirklich der Mut, etwas zu sagen. Das würde ich heute anders machen und im Zweifel sogar den Tierschutz einschalten.

Jana: Ich finde es ist Fluch und Segen gleichzeitig. Es gibt die Fälle, wo ich super dankbar bin, dass wir einschläfern dürfen und nicht abwarten müssen, bis dieses arme Tier von selbst stirbt. Andererseits ist natürlich damit auch schnell ein alternativer Weg da, den man gehen kann, denn es gibt durchaus Tierhaltende, die im Kopf direkt schon beim Einschläfern sind, wenn man das Wort „Tumor“ nur in den Mund nimmt. Ja, es ist immer eine Gratwanderung, ab welchem Moment man auch als Ärztin die Sache ins Spiel bringt oder wie man Leute auffängt, wenn sie selbst danach fragen.

Ann-Catrin: Ich kann es mir gut vorstellen. Wir hatten auch die Situation mit unserer anderen Katze, die eine unglaublich teure und langwierige Behandlung bekommen hat. Sie hatte innere Blutungen und bekam Bluttransfusionen – und wir haben damals in der TiHo fast alles ausgeschöpft, was es an Behandlungsmöglichkeiten gab. Da gab es dann auch den Punkt für uns als Tierhaltende OHNE Versicherung, an dem uns bewusst wurde, dass wir es bald nicht mehr bezahlen können und dass der Moment kommen wird, an dem wir darüber nachdenken müssen, ob wir einen Kredit aufnehmen oder uns irgendwo Geld leihen können. Oder willst du nach fünf Tagen, nachdem alles dafür getan wurde, dieses liebe Tier zu retten und es auch leichte Anzeichen der Besserung gibt, sagen „Die nächste notwendige Behandlung kann nicht erfolgen, weil ich es finanziell nicht mehr stemmen kann.“? In diesem Moment haben wir uns eben auch gefragt, was wir unserer Katze antun und wie weit man das noch mitgehen kann. Was mir unglaublich geholfen hat, war ein Telefonat mit unserer Haus-Tierarztpraxis, in welchem wir gefragt haben, wie sie die Situation einschätzen. Da sagte die TFA damals: „Also wenn die in der TiHo sagen, es gibt eine Chance, dann gibt es eine Chance.“ Und diese Aussage war für uns eine unglaubliche Erlösung, weil dann klar war, dass wir das jetzt machen, wir das anpacken und es eben keine Tierquälerei ist, noch den nächsten Rettungsversuch zu starten. Und ich glaube, es ist wahnsinnig wichtig, dass Tierhaltende eine ehrliche Einschätzung bekommen. Es muss jemanden geben, der den Sachverhalt für die Person, die entweder gerade versucht, Abschied zu nehmen, oder vielleicht wieder Hoffnung schöpft, nachvollziehbar darstellen kann. Aus meiner Perspektive ist es extrem wichtig, dass es eine klare Kommunikation gibt.

Melanie: Sicherheit, Vertrauen, dass man das irgendwie darstellt auch als Tierärztin, Tierarzt oder TFA.

Ann-Catrin: Man kann es als Laie einfach nicht beurteilen, man hat überhaupt keine Ahnung, ob die Behandlung gerade für das Tier total die Qual ist oder ob es, weil es sowieso ein bisschen schlapp ist und viel schlafen würde, das Herumliegen gar nicht so schlimm findet. Von daher ist es ganz wichtig, dass es eine Orientierungshilfe seitens der Expertinnen und Experten gibt.


 → Hier geht es zum zweiten Teil des Interviews, in welchem wir über Tod und Trauer im Praxisalltag sprechen.

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