Die Hundepsychologin, Hundetrainerin und Coach für Menschen mit Hund Nathalie Doan hat mit uns darüber gesprochen, warum Hunde spielen. Wir erfahren, warum manche Vierbeiner lieber mit ihren Menschen toben, wie wir unseren Lieblingen in kniffligen Situationen helfen können und welche Körpersprachesignale wichtig sind.

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Experteninterview mit Nathalie Doan, Inhaberin der Hundeschule Trust and Treat

Was ist das Ziel des Spielens? Warum spielen Hunde eigentlich?

Es gibt nicht nur ein Ziel, sondern eine Vielzahl von Zielen, unter anderem, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gruppe gestärkt wird.

Hunde, vor allem wenn sie erwachsen sind, spielen nicht einfach mit jedem, sondern das Spiel findet mit anderen Individuen statt, zu denen ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut ist, die sich verbunden fühlen und mit denen sie sich wohl fühlen. Denn damit eine lockere Interaktion überhaupt möglich ist, sollten sie sich wohlfühlen und das kann natürlich in einer Gruppe sein, wo die Hunde sich gut untereinander kennen und einschätzen können. Das geht natürlich auch mit Menschen aus ihrer Bezugsgruppe, mit denen Hunde diese Art von Interaktion teilen möchte, das Spielen schafft einfach ein Gemeinschaftsgefühl. Spielen schüttet auch Dopamin aus, denn die Bewegung macht Spaß und motiviert den Hund aufgrund des aktivierten Belohnungssystems zur Wiederholung.

Spielen ist also für viele Hunde eine ganz tolle Belohnung und dient auch ganz klassisch dem Stressabbau durch Bewegung, denn wenn sich Anspannung im Körper aufgebaut hat, fühlt es sich sehr gut an, über schnelle Bewegung diesen Stress auch wieder abzubauen. So kann der Hund dann wieder in die Entspannung gehen. Und abgesehen davon ist Spielen von Klein auf die Möglichkeit, überlebensnotwendige Fähigkeiten und Verhaltensweisen spielerisch zu üben.

Bereits Welpen fangen an auszuprobieren, wie das eigentlich ist, wenn sie spielerisch ihre Beute erjagen und hineinbeißen oder was passiert, wenn sie sie schütteln. Sie beginnen damit, Sachen durch die Gegend zu tragen und zu horten oder mit anderen zu raufen, um einfach ein bisschen die eigenen körperlichen Fähigkeiten auszutesten. So entwickeln sie auch ein besseres Körpergefühl, welches auch zu dem gehört, was später im Leben potentiell überlebensnotwenig ist. Und natürlich ist die Interaktion miteinander für das Sozialverhalten wichtig. Der Hund lernt, die anderen besser zu lesen, sich auf sie einzustellen, einzuschätzen, wie der andere Hund drauf ist, wo er ein bisschen aufpassen muss und was ein anderer Hund doof oder toll findet. So kann das Sozialverhalten auch noch verfeinert werden, weil die Hunde in der Interaktion mit anderen Hunden auch ganz viele Feinheiten darüber lernen, wie die Hundeetikette funktioniert.

Gibt es denn Hunde, die von sich aus nicht gerne spielen? Woran kann das dann liegen?

Wenn, dann ist der Prozentsatz sehr gering. Es gibt aber durchaus Hunde, die lieber mit Menschen als mit anderen Hunden spielen – und auch andersherum.

Wenn ein Hund allgemein nicht gerne spielt, hat es häufig damit etwas zu tun, dass es der Hund einfach nie richtig gelernt hat. Dies kommt zum Beispiel bei Tierschutzhunden vor, die von der Straße geholt wurden und dann ihr ganzes Leben bis zum Erwachsenenalter in irgendeinem Zwinger gehockt haben. Wenn die Hunde nie die Möglichkeit oder auch nur die Ruhe hatten, spielerisch irgendwas zu entdecken, dann werden sie Erwachsenenalter mit dem Spielen nicht so richtig etwas anfangen können, weil die Fähigkeit nie geübt wurde. Es aber auch einfach sein, dass ein Hund schlechte Erfahrungen gemacht hat, vielleicht weil er von anderen Hunden zu sehr gemobbt wurde und dann solche Interaktionen eher mit negativen Gefühlen verknüpft. Oder ein Mensch hat das Spielen immer wieder zu einer Erziehungsaufgabe gemacht, weil ihm vielleicht jemand geraten hat: „Nur der Mensch fängt das Spiel an und nur der Mensch hört mit dem Spiel wieder auf“. Wenn der Hund dann nicht selbst entscheiden und mitbestimmen darf, macht das Spiel aus Hundesicht nicht besonders viel Spaß und dies nimmt Hunden die Motivation zu Spielen.

Die Hauptgründe, warum ein Hund nicht spielen möchte sind also:

  • Der Hund ist überfordert, weil er nie gelernt hat, zu spielen.
  • Der Hund hat ein negatives Erlebnis mit der Spielaktivität verknüpft.

In der Regel spielt aber fast jeder Hund auf die ein oder andere Weise, nur eben nicht immer so, wie wir das erwarten. Es gibt viele Leute, die glauben, dass ihr Hund nicht spielt, weil er keinen Ball apportiert oder wild mit anderen Hunden über die Wiese flitzt. Aber es kann sein, dass der Hund stattdessen das Altpapier klaut und das ganz stolz zerfleddert und diese Art der Beschäftigung kann auch durchaus eine Form des Spielens sein. Vielleicht möchte der Hund aber auch nicht mit Gegenständen spielen, sondern bevorzugt körperliche Interaktion, wie etwa gegenseitiges Belauern und Flitzen – und hier muss der Mensch dann aber auch erst mal verstehen, dass das die Art des Hundes ist, Spielverhalten auszudrücken.

Wenn ich meinen Hund genau kenne und weiß, dass er auch keine der angesprochenen alternativen Formen des Spielens zeigt, muss ich mir dann Sorgen machen?

Ich würde mir vor allem dann Sorgen machen, wenn mein Hund vorher gespielt hat und jetzt nicht mehr. Denn dann kann es natürlich zum Beispiel schon sein, dass es körperliche Ursachen gibt. Vielleicht hat er Schmerzen oder ein Problem mit Herz dem Herzen oder der Lunge und ist schnell außer Atem. Dann merkt er, dass es ihm immer schlecht geht, wenn er spielt und hört damit auf. Und diese Verhaltensänderung würde ich auf jeden Fall tierärztlich abklären lassen.

Wenn ein Hund zwar nicht „klassisch“ spielt, aber sonst in anderen Lebensbereichen sehr wohl ausdrückt, dass er Lebensfreude und -qualität hat, sich wohl fühlt und ausgelassen sein kann, dann gibt es meiner Meinung nach keinen Grund, sich allzu viele Sorgen zu machen. Wenn ich aber das Gefühl habe, dass mein Hund sehr zurückhaltend und verhalten ist, nie so richtig loslässt, nie glücklich wirkt, dann würde ich mir schon Sorgen machen. Denn dann kann es sein, dass der Hund sehr stark gehemmt oder unsicher ist und richtig Angst vor dem Leben oder vor bestimmten Faktoren draußen hat. Dann würde ich vor allem daran arbeiten, das Selbstvertrauen des Hundes wieder aufzubauen und seinen Mut zu fördern. Der Hund sollte dann lernen, Dinge wieder selbstständig zu erkunden und zu erleben, sodass daraus eine neue Neugier auf das Leben entstehen darf. Im Optimalfall zeigt der Hund dann irgendwann wieder etwas Spielverhalten, welches vorsichtig und ganz zart gefördert werden kann.

Was kann ich tun, um das Spielverhalten zu fördern?

Es kann tatsächlich sein, dass Mensch und Hund noch keinen gemeinsamen Modus gefunden haben. Vielleicht wurde noch nicht das richtige angeboten und die Art und Weise, wie der Hund spielt, braucht etwas mehr Kreativität.

Wie gesagt: Ein Spiel mit anderen Hunden ist nicht zwingend notwendig, aber es wäre schön, wenn eine andere Form der Interaktion stattfindet. Zum Beispiel könnte man mit dem Hund Maulfechten imitieren, indem der Mensch mit seiner Hand die Bewegung eines anderen Hundes nachahmt. Auch möglich sind gemeinsame Lauerspiele, sich gegenseitig fangen oder ein leichtes Raufen miteinander. Es muss also nicht immer das typische Zergeln oder ein klassisches Ballspiel sein – Hauptsache, Hund und Mensch finden ihren Spielmodus und stärken so ihr Gemeinschaftsgefühl.

Es ist also nicht schlimm, wenn mein Hund nicht mit anderen Hunden spielen möchte, denn es ist kein Zeichen dafür, dass er einsam ist – auch weil wir Menschen seine Spielkameraden ersetzen können.

Genau. Ich kenne viele Hunde, die einfach gleichgültig gegenüber anderen Hunden sind und nicht so richtig viel Wert auf diese Interaktion legen, vor allem nicht mit fremden Hunden. Ich bin aber schon der Meinung, dass es wichtig für einen Hund ist, regelmäßige soziale Kontakte zu haben. Das können zum Beispiel feste Hundekumpels sein, die man immer wieder trifft und zu denen ein gewisses Vertrauensverhältnis besteht. Diese Interaktion miteinander ist wichtig, denn wenn ein Hund gar keine Möglichkeit hat, diese zu üben, kann das zu allen möglichen Problemen im Alltag führen: Der Hund wird immer unsicherer und versucht, sich andere Hunde vom Leib zu halten. Aber wenn er in seinem Umfeld ein wirklich normales, nettes und deeskalierendes Sozialverhalten üben kann, dann hilft das auch bei der Begegnung mit fremden Hunden, denn diese lassen sich ja nicht vermeiden.

Aus diesem Grund würde ich dafür sorgen, dass es nette Sozialkontakte gibt, mit denen sich der Hund gut versteht. Das kann einfach bedeuten, dass man mit den Hunden gemeinsam Gassi geht und sie einfach friedliche Interaktionen ausleben dürfen, wie zum Beispiel gemeinsam Schnüffeln, ein bisschen Parallellauf, neue Situationen erkunden und so weiter. Also eine nette, ruhige Interaktion, die definitiv auch die Beziehungskomponente bedient, aber vielleicht nicht immer als solche erkennbar ist, weil dieses Verhalten viel subtiler ist, als wenn zwei Hunde gemeinsam über die Wiese flitzen.

Was mache ich denn, wenn es andersrum ist, also wenn mein Hund mit jemandem spielen möchte und die anderen Hunde oder der andere Hund ihn ablehnen? Gibt es so etwas wie Mobbing bei Hunden?

Ja. Also grundsätzlich gilt eigentlich immer, dass die Bedürfnisse und Grenzen anderer Hunde respektiert werden müssen. Nichts ist schlimmer, als wenn sich Menschen auf der Hundewiese zusammenrotten und fröhlich dabei zugucken, wie ein Hund durch seine Körpersprache und sein Verhalten deutlich sagt „Ich möchte eigentlich gar nicht“, der andere Hund diese Haltung nicht respektiert und alle darüber lachen, dass der gestresste Hund versucht, sich zwischen den Beinen seines Menschen zu verstecken, während der andere Hund ihn immer wieder austreibt. Die oberste Devise ist daher immer, dass man auch die anderen Hunde schützen muss, auch wenn die eigenen Leute es nicht tun und vor allem, wenn der eigene Hund die Weigerung nicht sieht oder nicht akzeptieren kann.

Ich bin der Meinung, dass man eine Interaktion nett unterbrechen sollte, bevor der andere Hund sich gezwungen sieht, eine harte Grenze zu ziehen. Diese kann zum Beispiel sein, dass er den eigenen Hund weg beißt. Natürlich wollen wir nicht, dass unser Hund der Grund dafür ist, dass wir in der Eskalationsleiter immer weiter hochsteigen. Dementsprechend halte ich es für sehr wichtig, mit dem eigenen Hund von Anfang an Sozialkontakte zu üben und zu trainieren, dass er auch auf subtile Signale reagiert und nicht erst ein Wegschnappen oder Anrempeln Grund genug ist, zu gehen.

Wir kennen alle Hunde, für die selbst das keine ausreichende Information ist. Deswegen ist es gut, direkt zu reagieren, wenn man merkt, der eine Hund versucht sich der Situation zu entziehen, versucht wegzugehen, friert ein, fängt an zu fixieren, dreht sich immer wieder über die Schulter und guckt nervös, wenn ihm da einer am Po hängt. Dann sollte man einfach den eigenen Hund nett rausholen und ihm immer wieder beibringen, sich einer solchen Situation selbst zu entziehen. Der eigene Hund muss lernen, sich abzuwenden, auch wenn sein Gegenüber zum Beispiel total spannend riecht. Im Zweifelsfall kann das auch bedeuten, ihn an die Leine zu nehmen, sodass der Hund auch physisch daran gehindert wird, den anderen Hund zu bedrängen.

Das Thema Mobbing kann bei Hunden relevant werden, die schneller oder kräftiger sind als die Artgenossen, mit denen sie interagieren. Hier kann es durchaus passieren, dass sie eine gewisse Befriedigung daraus ziehen, ihre körperliche Überlegenheit zu demonstrieren. Dann geht es nicht mehr nur um das nette Spiel, sondern es macht dem überlegenen Hund total Spaß, sein Gegenüber über den Haufen zu rennen oder ihn von hinten in den Po zu beißen und zu zeigen, dass er stärker und schneller ist. Aber das entsteht in der Regel erst, wenn die Erregungslage sowieso zu hoch ist. Daher ist die Grundvoraussetzung, wenn man Hunde miteinander spielen lässt, wirklich immer auf die Erregungslage zu achten: Wie ist der Stresspegel? Fangen die Hunde an, sehr, sehr hektisch zu werden, fangen die Hunde an, überfordert zu sein? Dann sollte man idealerweise die Spielsituation schon frühzeitig beenden und den Hunden beibringen, sich auch in Gegenwart des anderen Hundes zu entspannen, damit eben nicht durch Übererregung eine Situation entsteht, die ins Mobbing kippt.

Klassisches Mobbingverhalten ist zum Beispiel auch, dass ein Hund den anderen beim gemeinsamen Raufen am Boden festpinnt und nur noch oben ist und der andere gar nicht mehr aufstehen darf. Hier sollten Haltende frühzeitig dem unterlegenen Hund die Möglichkeit geben, die Situation zu verlassen. Idealerweise sollten beide Hunde lernen, sich in Gegenwart des anderen zu entspannen bevor man dann etwa eine zweite Runde versucht oder aber die Situation ganz verlässt, damit die Hunde sich nicht gegenseitig mit dieser Übererregung verbinden.

Insbesondere auf Hundewiesen häufig zu beobachten ist sind Gruppen in denen sich die Hunde schon gut untereinander kennen und ein gewisses Vertrauensverhältnis sowie Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden ist. Diese sind als Gruppe zusammen natürlich sehr stark und wenn dann ein fremder Hund in diese Gruppe hereinläuft, kann es natürlich schnell sein, dass einer aus der Gruppe entscheidet, den neuen Hund finde ich jetzt doof. Seine Kumpel machen aus Solidarität mit und dann wird der neue Hund von der gesamten Gruppe einmal durchgemobbt. In der Gruppe fühlen sich die Hunde zum einen stärker, aber sie haben auch das Gefühl, dass sie gemeinsam gegen eine Bedrohung von außen vorgehen müssen. Dementsprechend rate ich denen, die auf einer Hundewiese üben möchten, dass sie bitte von diesen großen Gruppen wirklich Abstand halten sollen, damit der eigene Hund keine schlechten Erfahrungen macht.

Ich mag es lieber, einzelnen Hunden zu begegnen und diese Hundebegegnung entsprechend nett zu begleiten, als dass der Hund zehn Minuten über die Wiese gejagt wird. Es ist also sinnvoll, die Situation, in der man ist, ein bisschen vorab lesen zu können, um zu schauen, ob das jetzt möglicherweise in einer negativen Erfahrung resultieren kann.

Welche Körpersprachesignale sind wichtig? Alles was auf Stress, Angst und Unwohlsein hindeutet, ist ein klares Signal, dass das Spielen gerade nicht so erwünscht ist, oder?

Richtig. Das wichtigste, was ich als Mensch in solchen Situationen können muss, ist Körpersprache lesen zu können. Ich bin immer wieder schockiert, wie schlecht viele Menschen die Körpersprache ihres eigenen Hundes oder auch fremder Hunde nicht lesen können und dementsprechend viel zu spät eingreifen, wenn es schon eskaliert ist oder der Hund bereits eine schlechte Erfahrung gemacht hat. Dementsprechend ist Körpersprache lesen das A und O und ich finde es sehr, sehr wichtig, dass man vor allem zwischen Verhalten wie echtem Spiel und dem sogenannten „fiddle about“ bzw. „flirt“ unterscheidet.

Viele wissen nicht, dass dies zwei Verhaltensweisen sind, die sich sehr ähneln, aber einem absolut unterschiedlichen Ziel dienen. Echtes Spiel hat andere Ziele als das sogenannte „fiddle about“, was eigentlich ein Konfliktverhalten oder Konfliktvermeidungsverhalten ist. Wenn zum Beispiel zwei fremde Hunde aufeinandertreffen und eine gewisse Anspannung in der Luft liegt, wird diese Anspannung plötzlich auf sehr nette soziale Art aufgelöst, indem einander ähnliche Verhaltensweisen gezeigt werden. Die Hunde beschnüffeln sich, man merkt, die Anspannung steigt, und plötzlich rennt einer los, zeigt sehr eckige Spielaufforderungen und der andere rennt hinterher, aber man merkt, das ist sehr hektisch. Vielleicht zeigen die Hunde auch ein Stressgesicht oder der eigene Hund reagiert sehr dankbar, wenn man anbietet, die Situation zu verlassen.

Anzeichen für „flirt“ oder eben das „herumfiddeln“, sind die hektischen, eher harten Bewegungen im Vergleich zu den eher weichen Bewegungen des echten Spiels und das übertriebene Zeigen von „ich bin keine Bedrohung für dich“, mit welchem dem anderen Hund suggeriert wird, dass er bitte auch nicht zurück bedrohen soll. Außerdem erfolgt das Verlassen der Situation mit absoluter Freiwilligkeit und einer gewissen Erleichterung, sobald man weitergeht.

In der Regel machen das Hunde, die sozial kompetent sind, aber eben auch ein bisschen überfordert. Es ist eine Alternative dazu, fluchtartig die Situation zu verlassen oder in den Angriff zu gehen. So zeigt der Hund trotzdem, dass gerade ein gewisser Konflikt vorherrscht, aber schafft es eben es auf eine nette Art und Weise, diesen zu lösen. Von vielen Menschen wird „fiddle about“ nicht gesehen, weil es als Spiel interpretiert wird und die Situation wird nicht verlassen, um das schöne Spiel nicht zu stören. Diese beiden Verhaltensweisen sollte man auf jeden Fall unterscheiden können, weil eine solche Situation kippen kann, wenn die Anspannung zu sehr steigt.

Echtes Spiel würde man im Vergleich dazu daran erkennen, dass vor allem erwachsene Hunde in der Regel gar nicht miteinander spielen, wenn sie auf fremde Hunde treffen. Wenn also fremde Hunde aufeinandertreffen, ist es eigentlich fast immer „fiddle about“. Richtiges Spiel entsteht meistens nur dann, wenn sich Hunde schon mehrfach begegnet sind, sich sympathisch finden und gegenseitig gut einschätzen können. Wenn ein gewisses Vertrauensverhältnis entstanden ist, kann man auch einen Rollenwechsel beobachten: Zum Beispiel lässt sich der vorher jagende Hund jagen. Oder bremst automatisch ab und rennt vorbei, um eben nicht in den gejagten Hund reinzukacheln und ihn über den Haufen zu rennen. So wird die Anspannung, die durch die Jagd aufgebaut wird, direkt wieder abgebaut und der vordere Hund erhält die Information „Nein, ich werde Dir jetzt nichts Böses tun“. Außerdem sind die Hunde in der Lage, Pausen einzulegen und nicht zehn Minuten lang durchtoben, sondern können kurz schnüffeln, durchatmen und dann vielleicht in die zweite Runde gehen. Bei einem Raufspiel wäre es so, dass die Hunde sich darin abwechseln, wer „oben“ ist – auch wenn es körperliche Unterschiede gibt. Hunde, die größer sind, machen sich bewusst klein, damit der andere Hund Spaß hat mitzutoben. Manchmal legen sich die großen Hunde sogar hin, damit man besser miteinander raufen kann oder geht sehr vorsichtig mit seinem Kumpel um, um ihn nicht zu verletzen.

Beim echten Spiel sind die Bewegungen auch deutlich weicher als beim „fiddle about“. Man hat einen gewissen Bewegungsluxus, die Gestik und die Mimik und die Art, wie die Gliedmaßen bewegt werden, ist sehr übertrieben und sehr weich. Durch die übertriebene Mimik entsteht keinerlei Zweifel daran, dass die Rauferei nicht ernst gemeint ist, selbst wenn mal geknurrt, das Maul aufgerissen oder aufeinander zu gerannt wird – die meisten Hunde würden nicht auf die Idee kommen, das jetzt in irgendeiner Form als Droh- oder Aktionsverhalten zu interpretieren. Und zuletzt hat der Hund auch einfach Motivation, nach einer kleinen Pause weiterzumachen und nutzt nicht die erstbeste Gelegenheit, um die Situation schnell zu verlassen.

Gibt es neben der Vertrautheit noch andere Faktoren dafür, dass sich Hunde als Spielpartner attraktiv finden?

Ja, es gibt einfach auch eine gewisse Sympathie. Genau wie wir Menschen nicht jeden anderen Menschen toll finden, finden nicht alle Hunde alle anderen großartig, egal wie häufig sie sie treffen. Häufig toleriert man sich auch einfach und nur, weil man sich morgens beim Gassigehen trifft, heißt es nicht, dass man jedes Mal in Freude ausbricht, wenn man sich dann sieht. Stattdessen wird freundlich genickt und dann geht man seines Weges. Und dann gibt es Hunde, die vielleicht als besonders toll wahrgenommen werden, weil sie einfach auf eine bestimmte Weise riechen oder weil sie sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, durch die der eigene Hund lernt, Vertrauen aufzubauen. In Bezug auf das Thema Spiel ist ein ähnlicher Spielstil wichtig. Was in der Regel nicht so gut klappt, ist wenn zwei verschiedene Spieltypen zusammenkommen, zum Beispiel Raufspiel und Rennspiel. Wenn also etwa ein Bulldoggen-Typ mit einem Windhund zusammenkommt, wird ihr Spiel schwer zu kombinieren, weil der Windhund eben flitzen möchte, und dann haben wir eine sehr frustrierte Bulldogge, die mit ihren kräftigen Beinen einfach nicht so schnell hinterherkommt. Und genauso hat der Windhund beim Raufen einfach wenig Chancen, sich gegen den muskulösen Körper der Bulldogge durchzusetzen. Von daher sollte man Hunde finden, die einen ähnlichen Stil bevorzugen, vielleicht auch eine ähnliche Körpergröße haben, sodass der Größenunterschied keine Rolle spielt. Das alles erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es vorsichtige Spielanfänge gibt, die dann ausgebaut und gefördert werden können.

Wenn mein Hund eine negative Erfahrung gemacht oder Angst hat, kann ich ihn unterstützen?

Ja, vor allem indem man kontrollierte, nette Begegnungen schafft. Wenn mein Hund Angst oder extrem schlechte Erfahrungen gemacht hat, ist vielleicht der Gang zur Hundewiese nicht unbedingt ratsam, weil man dort wenig Kontrolle darüber hat, welche Hunde in einen reinkacheln. Stattdessen wäre es besser zu schauen, ob es zum Beispiel im Bekanntenkreis einen Hund gibt, der nett und sozial ist, der sich eher deeskalierend verhält. Mit diesem kann man dann gut eine Runde Gassi gehen, sodass der eigene Hund merkt „Oh, der will ja gar nichts von mir“.

So kann sich der eigene Hund mit etwas Distanz und in seinem eigenen Tempo herantasten und erstmal merken, dass der andere Hund keine Bedrohung ist. Werden solche Begegnungen mit verschiedenen Hunden gestaltet und viel deeskalierendes Verhalten auf beiden Seiten geübt, merkt ein Hund, der eine schlechte Erfahrung gemacht hat, immer wieder, dass nicht ihm nichts passiert. Nach und nach kann man dann etwas die Intensität steigern, vom ersten Gedanken „der andere Hund will gar nichts von mir“ zu „der andere Hund hat ein bisschen Interesse, aber ist dann auch zufrieden, wenn man nur gemeinsam schnüffelt“. Und irgendwann kommt einer, mit dem man sich trifft, der dann vielleicht die erste kleine Aufforderung zum Spielen macht. In dieser sicheren Umgebung kann der eigene Hund dann herausfinden, ob er überhaupt Lust auf dieses ganze Spielthema hat oder ob das nicht so seins ist. Aber es muss ein sicherer, entspannter Rahmen geschaffen werden, damit der eigene Hund überhaupt in die Neugier gehen kann, um sich ein bisschen auszuprobieren.

Zur Person

Nathalie Doan ist seit ihrer Kindheit fasziniert von Tieren und kann diese Begeisterung in ihrer Arbeit mit Menschen und Hunden jeden Tag ausleben. Die ausgebildete Hundepsychologin blickt hinter die Kulissen und beschäftigt sich damit, wie sich auch unterbewusste psychische Faktoren auf das Verhältnis zwischen Haltenden und ihren Vierbeinern auswirken können. Aus ihrer Sicht trägt es zum Erfolg des Trainings bei, wenn auch die mentalen Aspekte berücksichtigt werden. Am Ende steht als Ziel das entspannte Zusammenleben von Mensch und Hund und dafür engagiert sie sich in ihrer Hundeschule für faires Hundetraining.

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